Pünktlich zur Verfilmung von Chris Greenhalghs Roman “Coco Chanel & Igor Strawinsky“ liegt jetzt die deutsche Übersetzung des Buches vor.

Eine Frau, schön, selbstbewusst, erfolgreich, trifft einen Exilanten, klein gewachsen, gehemmt. So ungleich sie sind, Jahrhundert-Persönlichkeiten sind beide: Coco Chanel, die mit ihrer Ästhetik der Natürlichkeit die Mode revolutionieren und zur Emanzipation der Frau beitragen wird, und Igor Strawinsky, dessen unter Tumulten uraufgeführtes Ballett "Le Sacre du Printemps" als Geburtsstunde der musikalischen Moderne gilt.

Chanel beherbergte Strawinsky und seine Familie 1920 einige Monate auf ihrem Anwesen in Garches bei Paris. Ob die beiden eine Affäre hatten, wie Chanel später behauptete, ist nicht verbürgt. Der britische Autor Chris Greenhalgh jedenfalls spinnt um die Hypothese herum seinen Roman "Coco Chanel & Igor Strawinsky", ein üppig ausgestattetes, mitunter etwas spannnungsarmes Zeitgemälde. Das englische Original erschien bereits 2002, die deutsche Übersetzung in diesem Frühjahr. Passend dazu kommt am Donnerstag die Verfilmung in die Kinos.

Coco Chanel achtete streng auf ihre Unabhängigkeit - und nahm sich die Liebhaber, die sie wollte. Strawinskys Zeit in Garches bietet Greenhalgh die Zutaten zu seinem Beziehungsdrama: Chanel, rücksichtslos verführerisch und sexuell unbefangen, unterwirft sich dem Komponisten; für ihn ist diese Erfahrung der körperlichen Liebe ein ähnliches Ureignis wie die Entdeckung des Jazz. Die beiden geben sich keine immense Mühe, ihr Tun zu verschleiern; Strawinskys bettlägerige Ehefrau ist ohnehin vom ersten Tag an misstrauisch.

Wie sich die Beteiligten in diesem Dreieck zerfleischen, nimmt sehr viel Raum in der Handlung ein - mitunter auf Kosten der Dramaturgie. Das Auf und Ab wird so zum Vorwand, Chanels atemberaubenden Stil vorzuführen: Wände und Fenster ihres Hauses sind schwarz auf weiß abgesetzt wie ihr berühmter Markenschriftzug. Das Motiv Schwarz und Weiß taucht immer wieder auf, auf den Klaviertasten wie auf den Röntgenbildern, die Jekaterina Strawinsky über ihre Tuberkulose belehren.

Wo Greenhalgh nicht darauf achten muss, die Handlung historisch richtig einzupassen, gelingen ihm eindringliche Szenen, von Nathalie Lemmens in geschmeidiges Deutsch übertragen. Meisterhaft verdichtet er Schuld und erotische Anziehung, etwa wenn Chanel ihrem neuen Gast den untersten Hemdknopf annäht. Anderes gerät eher langatmig als poetisch: Es führt nirgendwohin zu erfahren, wie sich das Wasser beim Haarewaschen auf dem Kopf von Strawinskys Tochter Ludmilla anfühlt.

Ob Chanel in ihrer Todesstunde wirklich an Strawinsky dachte? Wir wissen es nicht. Das Jahr 1920 jedenfalls hat Geschichte geschrieben: als Geburtsjahr des Parfüms Chanel No. 5.

Chris Greenhalgh: "Coco Chanel & Igor Strawinsky", C. Bertelsmann, 352 S., 22,95 Euro