Mit Stars wie Mariss Jansons und Daniel Harding bringen die Elbphilharmonie-Konzerte frischen Wind ins Hamburger Musikleben.

Hamburg. Der wichtigste Symbolik-Trend dieser Saison für Konzertvorschauen in der Musikstadt Hamburg ist nicht zu übersehen: möglichst hoch hinaus, die Zukunft vor Augen und ohne direkten Bodenkontakt. Die Philharmoniker waren kürzlich die Ersten, die sich bei Panoramablick auf Hafen und Elbphilharmonie präsentierten, demnächst wollen die NDR-Sinfoniker mithalten. Gestern stellte Generalintendant Christoph Lieben-Seutter seine Spielzeit 2010/11 vor, auch ganz weit oben, im elften Stock der Zentrale eines Logistik-Konzerns, mit unverbaubarem Blick auf Hamburgs größte und teuerste Kultur-Baustelle.

Das Spielzeit-Motto, aus der hinlänglich bekannten Not geboren, ist leicht kurios: "Elbphilharmonie ohne Elbphilharmonie". Doch dahinter verbirgt sich ein Bündel aus Reihen und Neuheiten, das sich hören lassen kann. Vier Residenzkünstler bilden Persönlichkeitsschwerpunkte: Mariss Jansons, zu Recht weit vorn im Maestro-Ranking, kommt mit seinen beiden Orchestern Concertgebouw aus Amsterdam und BR aus München, Bonus ist ein Auswärtsspiel mit den Wiener Philharmonikern. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, die 2009 für ihren Beethoven-Zyklus in Salzburg gefeiert wurde, präsentiert ihr Können, aber nur zwei von neun möglichen Symphonien. Bariton Thomas Hampson ist im Rahmen der Mahler-Feierlichkeiten eine wichtige Personalie - und meinte, 54 Jahre alt, in einer Video-Botschaft zur Elbphilharmonie: "Hoffentlich wird sie fertig, bevor ich in Pension gehe." Letzter im Quartett ist der charismatische Pianist Piotr Anderszewski.

Andere wohlklingende Namen: das New York Philharmonic mit seinem neuen Chef Alan Gilbert, der auch Erster Gastdirigent beim NDR ist, das Mahler Chamber Orchestra mit Daniel Harding, Magdalena Kozena mit Frühbarockem oder Ex-Symphoniker-Chefdirigent Andrey Boreyko und Ex-"Artist in Residence" Martin Fröst mit der Jungen Deutschen Philharmonie.

Die feinen Kleinigkeiten, die den frischen Wind in Hamburgs Musikleben bringen, sind vor allem als Ziergirlanden an den konventionellen Programmsäulen zu finden. So wird die Spielzeit ganz unklassisch im Docks eröffnet, mit dem Ensemble Spira mirabilis und Beethovens Achter. Eine andere ungewöhnliche konzertierte Aktion ist die Zusammenarbeit mit der Kammermusik-Reihe von Niklas Schmidt für eine "Schubertiade" mit dem Auryn Quartett. So feine Stimmen wie die von Annette Dasch sind dabei, Mezzosopranistin Anne Sofie von Otter tut sich mit dem Jazz-Pianisten Brad Mehldau zusammen.

Im KörberForum präsentieren sich Elektronik-Frickler, die man eher neben der Reeperbahn erwartet hätte, mit vier "ePhil"-Sessions. Im Februar ist Jimi Tenor Chefstyler eines kleinen Finnland-Festivals. Auf Kampnagel präsentiert das NDR-Sinfonieorchester eine interaktive 3-D-Version von Strawinskys "Sacre". Cellistin Sol Gabetta und die Amsterdam Sinfonietta bringen ein szenisches "Liebestod"-Projekt. Beim Thema Alte-Musik-Festival herrscht weiter Ebbe.

So ausführlich Lieben-Seutter bei der Präsentation seiner Programmlinien war, so schmallippig wurde er im Beisein von Kultursenatorin Karin von Welck bei Fragen nach Unangenehmem wie Eröffnung, Baukosten, Etatzahlen oder Sponsorenanteil. Hinter den Kulissen sind die Reibungen zwischen dem einen städtisch finanzierten Konzertveranstalter und den vielen Privaten wohl noch nicht ausgeräumt: "Es liegt ein Interessenkonflikt in der Luft." Doch auf die Frage nach einem runden Tisch meinte Lieben-Seutter nur: "Das bringt nichts." Im Hintergrund bewegten sich dazu die Kräne der Elbphilharmonie-Baustelle. Ganz langsam nur, aber unaufhaltsam. Alles sehr symbolisch eben.

Informationen : www.elbphilharmonie.de