Die ARD-Dokumentation über den Genozid an den Armeniern zwischen 1915 und 1917. Rund 1,5 Millionen Menschen kamen damals ums Leben.

Hamburg. Nur selten wird ein Film der Presse unter dem Schutz von Sicherheitsbeamten gezeigt. Im Fall der aufwendig produzierten Dokumentation "Aghet - ein Völkermord" wollte der NDR sichergehen: Das Thema, der Genozid an den Armeniern 1915 bis 1917, ist für viele Türken ein Tabu, das immer wieder gewaltsame Störungen provoziert. Wachrütteln wird die Dokumentation allemal. Dem ehemaligen "Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust hat sie "eine schlaflose Nacht beschert", wie er nach der Preview sagte.

Das erstaunlich umfangreiche historische Bildmaterial ist eindrücklich und stellenweise verstörend. Schätzungsweise 1,5 Millionen Armenier kamen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs bei dem von Türken verübten Genozid ums Leben. Historiker bezeichnen ihn als "Blaupause" für den Holocaust. Die Geschichte dieses Verbrechens werde mit "Aghet" zum ersten Mal "eindringlich und umfassend einem großen Publikum nahegebracht", sagte der Leiter des NDR-Programmbereichs Fiktion und Unterhaltung, Thomas Schreiber. Regisseur Eric Friedler bekennt sich klar zum Begriff Genozid. Ihm stellt sich die Frage, "warum keine Regierung der Welt ein Problem damit hat, über den Völkermord in Ruanda oder Kambodscha oder den Holocaust zu diskutieren, aber beim armenischen Völkermord international seit fast hundert Jahren diplomatische Zurückhaltung geübt wird".

"Aghet" (Katastrophe) ist für die Armenier zum Begriff ihrer Geschichte geworden. Am 24. April 1915 ließ die Regierung nationalistischer Jungtürken zunächst die gesamte armenische Elite in Konstantinopel (dem heutigen Istanbul) verhaften. Dann wurden die vor allem in Ostanatolien lebenden Armenier zusammengetrieben und auf monatelange Todesmärsche gen Süden geschickt. Was sie erwartete, war der sichere und beabsichtigte Tod - durch Hunger, Durst, Erschöpfung und die Misshandlungen und Vergewaltigungen während des Marschs durch türkische und kurdische Wachen. Als vordergründige Legitimierung diente eine Art Dolchstoßlegende: Die Armenier, hieß es, hätten die Türkei im Krieg "verraten".

"Mit 'Aghet' wollten wir eine dokumentarisch belegte, eigene erzählerische Form im Film finden, um diesen Genozid und seine Wirkung bis in das 21. Jahrhundert zu erzählen", sagt Produzentin Katharina Trebitsch. Material wurde aus zahlreichen internationalen Archiven zusammengetragen. Dabei kam den Machern ein Umstand zugute: Zahlreiche ausländische Missionare, Konsulatsangehörige, Krankenschwestern, deutsche Offiziere und Korrespondenten, die vor Ort die Vertreibung der Armenier miterlebten, hielten ihr Entsetzen in Briefen, Tagebüchern und Berichten fest. Diese Augenzeugenberichte werden in "Aghet" von 23 namhaften Schauspielern wiedergegeben, unter ihnen Friedrich von Thun, Martina Gedeck, Burghart Klaußner, Stefan Kurt, Joachim Król und Ulrich Noethen.

Das Motiv hinter dem Völkermord, so der damalige US-Botschafter in Konstantinopel, Henry Morgenthau, war vor allem Bereicherung. Nur wenigen Helfern wie dem deutschen Missionar Dr. Johannes Lepsius und der Dänin Karin Jeppe gelang es, einige Deportierte noch rechtzeitig in den Libanon zu retten. Die Schweizer Flüchtlingshelferin Beatrice Rohner jedoch musste mit ansehen, wie ihre fast eintausend armenischen Waisenkinder in Viehwaggons abtransportiert wurden. "Das Letzte, was ich von den Kindern sah, war der Sonderzug, der sie entführte", schrieb sie. "Damit fiel der Schleier der Dunkelheit über sie. Und über mich."

"Aghet - ein Völkermord": heute, ARD, 23.30, Di, 13.4., 20.15 auf Phoenix