Hamburg. Gewagt, was das Ernst-Deutsch-Theater da mit Wajdi Mouawads verschachteltem Nahost-Familiendrama "Verbrennungen" auf die Bühne bringt. Denn das Stück des im Libanon geborenen, preisgekrönten Franko-Kanadiers ist ein Politkrimi, der die Verwüstungen zeigt, die der Krieg in Menschen anrichtet.

Die sieben Darsteller, von Regisseur Albert Lang auf der asketischen Bühne (Peter Schuberth) eher streng geführt, erzählen über einen Zeitraum von 40 Jahren, wie stark persönliche Lebensläufe unter äußeren Einflüssen wie Krieg, Folter und Vergewaltigung zu schrecklichen Schicksalen pervertieren.

Das ist stellenweise ergreifend, stellenweise aber zu langatmig und farblos geraten. Nach knapp drei Stunden - die zu kürzen wären - gab's kräftigen Beifall. Und dennoch: Einige Zuschauer hatten vorzeitig das Theater verlassen.

Heute und gestern, Heimat und Fremde sind gleichermaßen wichtig in diesem mosaikartig aufgefächerten Drama. Denn es geht um das Schicksal von Mawal, einer Frau, die im Bürgerkrieg gekämpft hat, die im Gefängnis gesessen hat und gestorben ist, ohne in den letzten fünf Jahren ein Wort gesagt zu haben. Bei der Eröffnung ihres Testaments hinterlässt sie ihren Zwillingen zwei Briefe. Tochter Jeanne, eine Mathematikerin, soll den Vater suchen, den die Kinder nicht kennen. Sohn Simon, ein Amateurboxer, soll einen bislang unbekannten Bruder finden. Eigentlich wollen sie gar nichts wissen über diese Mutter, die sie nicht geliebt hat.

Am Ende jedoch werden sie mehr wissen, als sie ertragen können. Und verstehen, dass ein System, in dem jede Bluttat Vergeltung nach sich zieht, ebenso zerstörerisch ist wie eine Moral, die einer unverheirateten Mutter, die den "falschen" Mann liebt, ihr Kind wegnimmt. Wer nichts wissen will, wer nicht fragt, "wer bin ich?", der ist besser dran. Auch das könnte eine Erkenntnis dieser Tragödie sein.

Widerwillig und lustlos machen sich Jeanne und Simon auf die Suche und entdecken dabei, wie sehr ihr eigenes Leben auf Lüge, Folter und Vergewaltigung zurückgeht. Theresa Rose spielt Jeanne als trockenen Vernunftmenschen, sehr gradlinig, leider auch mit wenig Ausdruck. Ihr Bruder Simon wird bei Kostja Ullmann zum Hitzkopf, der aber trotzdem angenehme Züge zeigt.

Isabella Vértes-Schütter muss die Mutter und Kämpferin Nawal in drei Lebensaltern darstellen. Eine schwere Aufgabe, die sie ernst, besonnen und mit viel Engagement meistert. Vom Rest des Ensembles, das in mehreren Rollen zu sehen ist, bleibt Angela Meyers zornige Sawda in Erinnerung. Und leider auch, dass die Inszenierung gegen Ende sehr zerfasert.