Hamburg. Es ist eine Geschichte von Siegern und Verlierern, wie sie sich das Kino nicht schöner hätte ausdenken können. An ihrem Ende steht der erste Oscar für eine Frau als beste Regisseurin - was für die Kinobranche in etwa das ist, was für die Weltpolitik die Wahl eines afroamerikanischen US-Präsidenten war. Und die Niederlage eines Mannes, der in den vergangenen Monaten die Maßstäbe des Weltkinos verschoben hat. Hinsichtlich Einspielergebnissen, Bilderwelten, Visionen. Dass Kathryn Bigelow und James Cameron zudem zwei Jahre lang ein Paar waren und nun, knapp 20 Jahre nach ihrer Trennung, das Rennen um den wichtigsten Filmpreis der Welt quasi unter sich ausmachten, zeigt, wie perfekt Hollywood die Inszenierung beherrscht. Auf der Leinwand und davor.

Unmittelbar hintereinander hatte man die Ex-Eheleute bei der Verleihung platziert. Ihre Filme allerdings könnten weiter nicht voneinander entfernt sein: Auf der einen Seite Camerons 500 Millionen teures 3-D-Spektakel "Avatar", das allein in Deutschland knapp zehn Millionen Menschen gesehen haben. Auf der anderen Bigelows Irak-Kriegsfilm "Tödliches Kommando - The Hurt Locker", der Mühe hatte, überhaupt einen Verleih zu finden und sein schmales Elf-Millionen-Dollar-Budget zu Hause nur gerade eben eingespielt hat. David gegen Goliath. Ungeschönte Realität gegen Eskapismus. Independent-Produktion versus Studiosystem. Wie zwei Seiten einer Medaille kommen diese beiden Filme daher und beweisen, dass das Kino auch im Jahr 2010 in der Lage ist, sich immer wieder neu zu erfinden. Sei es durch technische Weiterentwicklung oder inhaltlich. Als Traumfabrik, die uns unbekannte Planeten entdecken lässt. Oder als Abbild der Welt, in der es zum Lebensinhalt werden kann, eine tickende Bomben zu entschärfen.

Aber weil die Oscar-Verleihung eben nicht nur eine gigantische Selbstbeweihräucherung ist und eine dreieinhalbstündige Ekstase der Emotionen, sondern auch ein simpler Wettbewerb, in dem es um die rund 6000 Stimmen der Academy of Motion Picture and Arts geht, ging aus diesem Abend eine unangefochtene Siegerin hervor: Sechs Oscars - neben drei Ton- und Schnitt-Preisen auch noch den für das beste Originaldrehbuch, den besten Film und die beste Regie - gewann Bigelows Film. "Avatar" wurde dagegen mit drei Oscars abgespeist, darunter für Kamera und Spezialeffekte.

"This is a moment of a lifetime", sagte die 58-jährige Regisseurin, von der "Süddeutschen Zeitung" einst als "der letzte verbliebene Kerl in Hollywood" bezeichnet, als sie zitternd ihre Goldstatue entgegennahm. Während Cameron noch "Ich bin der König der Welt" gegrölt hatte, als 1997 sein Blockbuster "Titanic" insgesamt elf Oscars gewann, begnügte Bigelow sich mit einer Botschaft an die im Irak und in Afghanistan stationierten Soldaten: "Mögen sie sicher nach Hause kommen."

"The Hurt Locker" (nach einem Drehbuch des Kriegsreporters Mark Boal) ist keine Anklage des Krieges als brutale Schlachterei. Es geht um drei Männer einer Einheit, die Sprengkörper entschärfen und dabei jede Sekunde zwischen Leben und Tod schweben. Eine hübsche Anekdote von den Dreharbeiten erzählt davon, wie Bigelow in Jordanien bei 40 Grad eine riesige Sanddüne erklomm, wo eine Bombenexplosion gefilmt werden sollte. Ihre Schauspieler, muskelbesetzte Männer in den Zwanzigern, setzten sich in Jeeps und fuhren hoch. Sie war als Erste oben.

Vielleicht musste Kathryn Bigelow bei der 82. Oscar-Verleihung an diese Geschichte denken. Und dann ganz breit grinsen.