Aber eine Handvoll Filme hätten Preise verdient - aus der Türkei, Bosnien und der deutsche Beitrag “Der Räuber“.

Berlin. Solide. Dieses Wort trifft die Qualität des diesjährigen Berlinale-Wettbewerbs wohl am besten. Die beiden filmischen Totalausfälle, Jo Beiers Historienepos "Henri IV" und Doris Dörries Klamauk "Die Friseuse", liefen glücklicherweise nicht in der Hauptsektion, sondern in der "Berlinale-Special"-Reihe (zum Teil begleitet von "Scheiß-Film"-Rufen), Ausreißer nach oben und damit sichere Kandidaten für die Goldenen und Silbernen Bären fehlten allerdings auch. Wohl aber gab es eine knappe Handvoll Filme, denen man von ganzem Herzen Preise wünscht.

Das bewegende Drama "Na Putu" ("On the path") der bosnischen Regisseurin Jasmila Zbanic etwa, über eine junge Stewardess in Sarajewo, deren Mann sich einer strenggläubigen muslimischen Gemeinde anschließt. Oder der türkische Beitrag "Bal" ("Honig") von Semih Kaplanoglu, der in poetischen Bildern die Welt eines kleinen Jungen in einem abgeschiedenen Bergdorf umreißt. Auch Benjamin Heisenbergs schnörkelloses Bankräuber-Drama "Der Räuber", das mit kargen stilistischen Mitteln Extremsituationen heraufbeschwört, faszinierte. Einer der stärksten Festivalfilme war zudem Roman Polanskis "The Ghostwriter", der zwar größtenteils lobende Kritiken bekam, wohl aber schon aus politischen Gründen (das laufende Verfahren gegen den Regisseur) leer ausgehen wird.

Am Freitag hatte der anrührende dänische Beitrag "Eine Familie" von Regisseurin Pernille Fischer Christensen Premiere - ein leise erzähltes Drama über eine Großfamilie in Kopenhagen, die wegen eines Krankheitsfalles einer Zerreißprobe aussetzt wird. "Wir erzählen von Furchtbarem, von existentieller Bedrohung. Da muss es natürlich Gefühle geben, aber es darf niemals Sentimentalität aufkommen", sagte die Regisseurin. Als letzter Wettbewerbsbeitrag war die Tragikomödie "Mammuth" mit Frankreichs Kinostar Gérard Depardieu als langhaariger Rentner auf seinem Motorrad zu sehen.

Zu den Favoriten zählen neben "Bal" und "Der Räuber" zudem der russische Film "How I ended this summer" von Aleksei Popogrebsky, der auf einer entlegenen Wetterstation in der Arktis angesiedelt ist, sowie der sehr komische Beitrag aus Norwegen, "A Somewhat Gentle Man", über einen nach zwölf Jahren aus der Haft entlassenen Mann, der sein Leben wieder in den Griff zu bekommen versucht.

Silberne Bären für herausragende schauspielerische Leistungen wünscht man gleich mehreren Darstellern: dem Norweger Stellan Skarsgard aus eben genanntem Film - schon allein für die lustigste Sexszene des Festivals. Genauso Zrinka Cvitesic als Stewardess Luna im bosnischen Beitrag, an deren Gesicht man sich nicht sattsehen kann. Drei verdiente Bärenkandidatinnen werden leer ausgehen: Julianne Moore und Annette Bening als großartiges Lesbenpaar (Lisa Cholodenkos "The Kids are all right" lief hier außer Konkurrenz) sowie Gudrun Ritter, die famose Hauptdarstellerin aus Matti Geschonnecks Ost-Berlin-Hommage "Boxhagener Platz", die gut hätte im Wettbewerb platziert sein können, aber nur im Rahmen von "Berlinale Special" lief. Hanna Schygulla hat ihren Ehrenbären ja bereits.

Die Werke, die für die größte Enttäuschung sorgten, waren Oskar Roehlers "Jud Süß" über den perfiden antisemitischen Film von Regisseur Veit Harlan sowie Thomas Vinterbergs Drama "Submarino". Zwei Regisseure, von denen man schon Großartiges gesehen hat ("Die Unberührbare" von Roehler, "Das Fest" von Vinterberg) und dieses Mal nur unteres Mittelmaß geliefert bekam. Definitiv keine Preisträger.