"Bewahren Sie den Überblick", heißt es beim Start des Hamburg-Portals im Internet. Das ist schwierig, denn es gibt in dieser Bürgerstadt nicht nur die Aufteilung in "sone und solche". Es gibt auch die Aufteilung in linkes (schickes) und rechtes (traditionelles) Alsterufer, in Nord- und Süd-Hamburg, dessen unteren Teil man nur mit einem "Sprung über die Elbe" erreichen könne. Wenn eine Stadt einen ihrer wesentlichen Teile nur im Sprung erreichen kann, dann stimmt etwas nicht. Womöglich mit der Geografie und dem Selbstverständnis.

Wenn man im Hamburg-Portal die Historie sucht, findet man sie unter ferner liefen. Marketing und Events liefern den roten Faden einer als problemfrei dargestellten Zone. All das, was der Hamburger als "Eingemachtes" bezeichnet, gibt es in der offiziellen Hamburg-Darstellung nicht. Armut zum Beispiel. So lebt auf der Veddel jeder Dritte (29,7 Prozent) von staatlichen Leistungen. 13 Prozent der Gesamtbevölkerung Hamburgs lebte 2008 von Hartz IV. Jedes vierte Kind (26 Prozent) im Alter bis sechs Jahre ist auf staatliche Hilfe angewiesen. Bundesweit sind das nur 17 Prozent. Und St. Pauli, dessen Reeperbahn im Hamburg-Portal besungen wird, gehört zu den armen Stadtteilen. Die Überschrift "Hamburg ist reich" reicht nicht. Der Hamburger hatte 2008 mit 32 505 statistischen Euro das höchste Einkommen - doch hier fehlt der differenzierende Blick auf "sone und solche": Der Nienstedtener verdiente 150 000 Euro im Jahresschnitt, der Veddeler nur 17 000 Euro. Offiziell will in Hamburg keiner von Wohnungsnot reden, doch "jährlich fehlen bis zu 6000 neue Wohnungen" (Bürgermeister Ole von Beust). Gebaut werden jährlich nur um 3000 Wohnungen (2008 waren es 3474).

So mag man Zahlen verstehen, die einem absurd vorkommen: Wer in Hamburg ein Gebäude abreißt und so aufbaut, wie es war, zahlt mindestens 800 bis 1000 Euro pro Quadratmeter. In Leipzig werden jetzt die ersten Wächterhäuser zum 50 bis 100 Euro pro Quadratmeter verkauft. Stünde ein Wächterhaus in Ottensen, so würde dies nach Angaben von Immobilienexperten mindestens 1500 Euro pro Quadratmeter bringen.

So mag man auch verstehen, warum seit Sommer 2009 plötzlich eine Künstler-Initiative im Gängeviertel und eine "Recht auf Stadt"-Bewegung in Teilen erfolgreich sind. Plötzlich will Hamburg Grundstücke nicht mehr an den Höchstbietenden verkaufen, sondern die Qualität von Bau-Konzepten mit einem differenzierenden Blick betrachten.