Wim Wenders, Hanna Schygulla, Tom Tykwer und Hark Bohm sind Filmpaten in Berliner Stadtteilkinos - ihren persönlichen Kiezhäusern.

Hamburg. In Zeiten, in denen man immer früher, immer günstiger jeden Film auf DVD kaufen oder im Internet herunterladen kann, verändert sich auch das Kino selbst. Und somit auch die Bedeutung von Filmfestivals. Vielleicht auch deshalb feiert die Berlinale anlässlich ihres 60-jährigen Bestehens nicht nur Kino als Kunstform, sondern auch als (sozialen) Ort. Als Begegnungsstätte. "Berlinale goes Kiez" heißt die zehnteilige Reihe, die sich das Festival zum Jubiläum quasi selbst schenkt. Sie würdigt das Programmkino als Gegenstück zum Multiplex, bedankt sich bei den Berliner Stadtteilkinos, die nicht nur einmal pro Jahr, sondern tagtäglich dem Zuschauer Filmangebote machen. Ganzjährige Festivals, wenn man so will. Gastgeber von "Berlinale goes Kiez" ist der Hamburger Abaton-Chef Matthias Elwardt. Zehn "Lieblingskinos" von Weißensee bis Zehlendorf hat er zusammen mit Festivalchef Dieter Kosslick und den jeweiligen Sektionsleitern ausgewählt, zudem Filme, Kinopaten, prominente Gäste.

Es sind Kinos, die auf der Berlinale bislang nicht in Erscheinung getreten sind, die eigentlich "Winterschlaf" halten, wenn die Festivalkinos am Potsdamer Platz zehn Tage lang von den Besuchern gestürmt werden.

Viele der Paten, unter ihnen Filmemacher wie Wim Wenders, Michael Verhoeven, Hans-Christian Schmid, Andreas Dresen und Tom Tykwer haben eine ganz persönliche Beziehung zu ihrem Kiezkino. Christian Petzold etwa hat sein langjähriges Stammkino "Neues Off" in Neukölln ausgewählt. Im Kreuzberger Moviemento (104 Plätze) arbeiteten Tykwer und der Berliner Produzent Claus Boje viele Jahre als Filmvorführer, Musiker Blixa Bargeld saß an der Kasse, und Pate Wieland Speck, Leiter der "Panorama"-Reihe, war hier einst als Kinomacher tätig. Anders als der Fernsehabend auf dem Sofa ist Kino eben immer auch Gemeinschaftsgefühl, Anlaufstelle, gelebte Erinnerung.

Zur Vorführung von Rainer Werner Fassbinders "Die Ehe der Maria Braun" (1979) kommen am Sonnabend, 20. Februar Schauspielerin Hanna Schygulla, die diesjährige Ehrenpreisträgerin der Berlinale, und der Hamburger Regisseur und Schauspieler Hark Bohm in die Eva Lichtspiele in Wilmersdorf - inklusive einführendem Gespräch über die Bedeutung des Kinos für den Fassbinder-Clan.

"Berlinale goes Kiez" versammelt (deutsch untertitelte) Filme aus allen Festivalbereichen. Den Auftakt macht am Freitag, 12.2., der chinesische Eröffnungsfilm und Wettbewerbsbeitrag "Tuan Yuan" ("Apart Together"). In einigen Kinos, so dem Union Filmtheater in Köpenick, wo Matti Geschonnecks "Boxhagener Platz" zu sehen ist, waren die Karten laut Inhaber innerhalb von zehn Minuten ausverkauft.

Drei an "Berlinale goes Kiez" beteiligte Filmteams wird Elwardt im März auch im Abaton-Kino begrüßen: Neben Geschonnecks "Boxhagener Platz" ist Regisseur Benjamin Heisenberg mit seinem Wettbewerbsbeitrag "Der Räuber" zu Gast sowie die Macher der Dokumentation "Tanzträume - Jugendliche tanzen Kontakthof von Pina Bausch".

Mag die Zukunft des Kinos auch ungewiss sein - noch fasziniert die große Leinwand das Publikum.