Solistisch ist die tiefere Schwester der Violine selten zu hören. Tabea Zimmermann will den Hamburgern zeigen, was die Bratsche wirklich kann.

Hamburg. Einmal hat sie sie ganz handgreiflich vorgeführt, die Wandelbarkeit, für die ihr Instrument immer gerühmt wird. Da mutierte die Bratscherin Tabea Zimmermann kurzerhand zur Sängerin: Mit dem Pianisten Hartmut Höll begab sie sich auf die Spur des Dichters Wilhelm Müller, dessen Gedichte Franz Schubert für seine "Winterreise" vertont hat.

Wer dabei war, wird es nicht vergessen, wie sie im Wechsel mit Texten von Peter Härtling ihren Bratschenton der menschlichen Stimme anverwandelte, wie sinnbewusst sie jeden Ton formte, wie sie ihr Vibrato entfaltete, welch weite Melodiebögen sie spannte.

Das war Anfang der Neunziger, und Tabea Zimmermann war bereits ein Fixstern am Bratschenhimmel. Fast 20 Jahre später rahmen die einst üppigen schwarzen Locken gerade noch das fein geschnittene Gesicht ein. Aber die Frische und Unmittelbarkeit, mit der die heute 43-Jährige ihre Zuhörer erreicht, sind dieselben.

Stargeiger gibt es milchstraßenweise. Nur eine Quinte tiefer gibt es kaum noch bekannte Namen. Von den wenigen berühmten Bratschern ist Tabea Zimmermann vermutlich die berühmteste. Zahlreiche Komponisten haben ihr Werke gewidmet, etwa György Ligeti seine Bratschen-Solosonate.

Zimmermann tourt durch Japan und gastiert beim Schleswig-Holstein Musik Festival. Sie konzertiert als Solistin mit dem Orchestre de Paris oder den Berliner Philharmonikern. Mit denen kommt sie im Juni in die Laeiszhalle und beschließt ihre Saison als Artist in Residence der Elbphilharmonie-Konzerte.

Zuvor aber ist sie noch aus der Nähe zu erleben, nämlich als passionierte Kammermusikerin. Am Donnerstag spielt sie im Kleinen Saal der Laeiszhalle mit ihrem Arcanto Quartett und dem Klarinettisten Jörg Widmann Werke von Mozart, Mendelssohn und Brahms.

"Das Instrument hat meine Persönlichkeit geformt", sagt Zimmermann. Während die Geige als Sopran-Instrument strahlend klingt, ist die Bratsche für ihren intimen, warmen Ton bekannt. Sie kann die Melodie, aber auch die Bassstimme spielen; sie drängt sich nicht in den Vordergrund, sondern fügt sich ins Ensemble ein. Kein Wunder, dass Bratscher oft besonders teamfähige und bescheidene Menschen sind. "Ich weiß gar nicht", sagt Zimmermann, wer ich ohne die Bratsche geworden wäre."

Tabea Zimmermanns Schaffen hat viele Facetten. Jüngst hat sie sich bei der fulminanten "Bratschennacht" in Hamburg als Gleiche unter fünf junge Kollegen gereiht und am nächsten Morgen einer Meisterklasse angeschlossen. "Das war ein schöner Kontakt zur Musikhochschule", erzählt sie. "Artist in Residence ist etwas anderes, als nur hin und wieder ein Konzert zu spielen."

Eine begeisterte Lehrerin ist sie nämlich auch noch: Ihre erste Professur hat sie mit gerade 21 Jahren angetreten; heute ist sie Professorin an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin.

Bislang pendelt sie von Bochum aus; ihr Mann Steven Sloane ist Chefdirigent der Bochumer Symphoniker. "Aber ich möchte auch mal am Ort leben", sagt sie. "Nächstes Jahr ziehen wir nach Berlin." Mit Mann und Maus, genauer gesagt, drei Mäusen im Alter von sechs bis elf Jahren. Für die Kinder hat sie ihre Konzerte auf etwa 50 im Jahr beschränkt; alle Ferien sind strikt für die Familie reserviert.

So wenig Aufhebens sie um ihre einzigartige Karriere macht - ihren Kindern verdankt sie etwas, auf das sie nach eigenem Bekunden richtig stolz ist: "Ich mache nur die Projekte, auf die ich Lust habe!"

Arcanto Quartett 11.2., 20.00, Laeiszhalle, Kleiner Saal. Weitere Konzerte von Tabea Zimmermann: Sonatenabend, 28.3., 20.00, Laeiszhalle, Kleiner Saal; Solokonzert mit den Berliner Philharmonikern und Semyon Bychkov, 22.6., 20.00, Laeiszhalle, Großer Saal