Jahrelang galt die Langfassung des legendären Stummfilms als verschollen. Nun ist der Klassiker frisch restauriert.

Hamburg. Dem Stapel rostiger Dosen in einem verstaubten Regal des kleinen Filmmuseums "Museo del Cine" in Buenos Aires hätten die meisten Menschen kaum einen zweiten Blick geschenkt. Jahrzehntelang wusste selbst in Argentinien niemand, dass hier eine Sensation auf ihre Enthüllung wartete. Im Juli 2008 war es so weit: Man entdeckte, dass man einen Schatz hütete - eine 16-Millimeter-Kopie der verschollenen Langfassung des legendären Films "Metropolis", 30 Minuten länger als alle bisher aus diversen Funden zusammengebastelten Versionen. In mühevoller Computer- und Schnittarbeit wurden bei der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung in Wiesbaden aus den alten Streifen, die in einem erbärmlichen Zustand waren, Kopien in akzeptabler Qualität hergestellt. Zum ersten Mal seit der Uraufführung 1927 kann "Metropolis" nun am 12. Januar auf der 60. Berlinale und zeitgleich in der Frankfurter Alten Oper gezeigt werden. Es ist fast eine zweite Premiere - denn von den 40 Originalkopien im 35-Millimeter-Format hat keine einzige überlebt, und die geänderten Schnittfolgen der Kurzversionen hatten den Charakter des Films erheblich verändert.

Der Sender Arte zeigt am selben Tag um 23.10 Uhr die Dokumentation "Reise nach Metropolis" von Artem Demenok über den deutschen Monumentalfilm und seine mühevolle Restaurierung.

Und monumental war dieses Meisterwerk in der Tat - in vielfacher Hinsicht. Regisseur Fritz Lang hat einen der visuell einflussreichsten Streifen der Filmgeschichte abgeliefert. Mit rund fünf Millionen Reichsmark Produktionskosten war "Metropolis" der mit Abstand teuerste deutsche Film bis dato. Er laugte die Ufa finanziell bis zum vorübergehenden Ruin aus, sodass sie vom Rüstungs- und Medienzaren Alfred Hugenberg, dem bürgerlichen Wegbereiter des Hitler-Regimes, geschluckt werden konnte. Denn "Metropolis" war wider Erwarten an der Kinokasse des Ufa-Pavillons am Berliner Nollendorfplatz eine finanzielle Katastrophe: Ganze 75 000 Reichsmark wurden eingespielt. Das Drehbuch von Theo von Harbou, Langs Ehefrau, wurde als zu kompliziert und überfrachtet empfunden.

Das Publikum kam mit der ungewöhnlichen Melange aus utopischer Kulisse - in der zum ersten Mal Roboter, Bildtelefone und Magnetschienenbahnen zu sehen waren - und der melodramatischen, mit christlichen wie sozialkritischen Elementen angereicherten, zudem an das Romeo- und-Julia-Motiv angelehnten Handlung nicht zurecht. Außerdem grausten sich viele vor der düsteren Zukunftsvision - wo sie sich doch von späteren Jahrhunderten nur Wunderbares erhofften. Die Ufa zog den Film zurück, verzichtete auf die deutschlandweite Aufführung und versuchte es später mit einer stark geschnittenen Fassung in München und Stuttgart - ebenfalls ohne Erfolg.

Der eigentliche Star des Films ist die Stadt "Metropolis" selber. Lang ließ eine beklemmende futuristische Kulisse entwerfen - mit einer paradiesischen Oberstadt für die reiche Elite und einer düsteren Unterstadt, in der Heerscharen von sklavenhaften Arbeitern gigantische Maschinen bedienen. Eine Traumsequenz, in der abgezehrte Gefangene in das Höllenfeuer eines molochartigen Verbrennungsofens getrieben werden, nimmt den Holocaust in gespenstischer Weise vorweg.

Lang drehte an 310 Tagen und in 60 Nächten. Er heuerte 36 000 Komparsen an, ließ 200 000 Kostüme nähen und haushohe Kulissen sowie 500 Modell-Wolkenkratzer mit 70 Etagen bauen. Der Regie-Tyrann und Perfektionist scheuchte die Darsteller für die Szenen einer Überflutung der Unterstadt sechs Wochen lang immer wieder in eiskaltes Wasser. Seine Hauptdarstellerin, Brigitte Helm, kollabierte mehrmals.

Der Brandenburger Filmarchivar Wolfgang Klaue, der bereits Anfang der 70er-Jahre in der DDR die erste Restaurierung von "Metropolis" unternahm und in der Dokumentation zu Wort kommt, erklärt: "Für uns war das ein Film von herausragender Bedeutung. Primär war die künstlerische Umsetzung, die Gestaltung - vom technischen Aufwand, der in den 20ern betrieben wurde, von der gesamten Komposition, der Kameraführung bis hin zu den Darstellern. Wenn man den historischen Blick dafür hat, ist 'Metropolis' einfach sensationell."

Doch Ruhm und Anerkennung für das Werk kamen erst viel später. "Metropolis" wurde unter anderem in Ridley Scotts Science-Fiction-Klassiker "Blade Runner", in den Musikvideos "Radio Gaga" von Queen und "Express Yourself" von Madonna zitiert.