Die Winterhuder Komödie zeigt “Glorious!“, das Stück über die exzentrische Amerikanerin, die um jeden Preis Sängerin sein wollte.

Hamburg. Größenwahn hat auch seine guten Seiten. Als die amerikanische Millionärin Florence Foster Jenkins am 26. November 1944 im Alter von 76 Jahren das Zeitliche segnete, muss eine restlos glückliche Frau gestorben sein. Ihr umjubeltes Debüt in der New Yorker Carnegie Hall, die Krönung einer jahrzehntelangen Solo-Karriere, lag erst einen Monat zurück. Sie war gefeiert worden, bejubelt. Sie wurde für das geliebt, was sie war. Einmalig. Jenkins hielt sich seit ihrer Kindheit für ein Gottesgeschenk, für eine Koloratursopranistin, wie sie die Welt noch nicht gehört hatte und nie wieder hören würde. Auf ihrem Grabstein stand: "Die Leute können vielleicht behaupten, dass ich nicht singen kann. Aber niemand kann behaupten, dass ich nicht gesungen hätte."

Stimmt ja auch. Na ja, fast.

Mit seinem Theaterstück "Glorious!", das am 15. Januar im Winterhuder Fährhaus mit Johanna ("Das bisschen Haushalt ...") von Koczian seine Premiere hat, würdigt der britische Autor Peter Quilter eine unerreichte Exzentrikerin, eine Sirene des Bizarren. Sollte die katholische Kirche je nach Schutzheiligen für rettungslos überforderte Dilettanten suchen - gegen Florence Foster Jenkins hätte selbst Homer Simpson keine Chance.

Jenkins hielt sich für die personifizierte Unfehlbarkeit, obwohl sie in Wirklichkeit durch ein Ton- und Rhythmussystem irrlichterte, das ein Parallel-Universum ganz eigener Art war. Ein Musikkritiker, der sich dieser Herausforderung mit dem Mut der Verzweiflung gestellt hatte, schrieb hinterher, Jenkins habe sich von den Absichten der Komponisten nicht einschüchtern lassen; ein anderer kapitulierte vor dem Eifer, mit dem Jenkins die Kunst perfektioniert habe, "Vierteltöne ober- und unterhalb der richtigen Töne zu improvisieren".

Nach der Devise "Willst du gelten, mach dich selten" trat die Erbin aus altem Neuengland-Geldadel nur sporadisch ins New Yorker Rampenlicht. Karten für ihre Auftritte im Ballsaal des Ritz-Carlton hätten auf dem Schwarzmarkt tolle Preise erreicht. Doch Jenkins regelte das anders. Sie verkaufte die Tickets bei gemütlichen Audienzen lieber selbst. Wer auf die Frage "Sind Sie etwa von der Zeitung?" korrekt antwortete: "Nein, Madam Jenkins, ich bin ein Musikliebhaber", der bekam nicht nur ein Billett zum Tageskurs, sondern zur Belohnung auch noch ein Gläschen Sherry. Einen Taxifahrer verschonte sie mit ihrer Stimme, spendierte ihm aber eine Kiste Zigarren, weil sie 1943 nach einem Unfall in seinem Wagen "ein höheres F als jemals zuvor" erreichte. Ein Omen, ganz klar. Wenig später mietete sie die Carnegie Hall. Die Zeit war reif. 2000 Kartensuchende mussten abgewiesen werden.

Eine ihrer erfolgreichsten Opus-Verletzungen war die Zugabe "Clavalitos", die jedem Anwesenden zu Recht sehr spanisch vorkam: Jenkins, die ohnehin jedes "Konzert" mit mindestens drei Garderobenwechseln garnierte, bewaffnete sich dafür mit einem Schal, einem diamantbesetzten Kamm, einer Blüte im Haar und ganz vielen in einem Korb, die sie per rhythmischer Sportgymnastik ins fassungslose Publikum warf. Einmal sogar mitsamt Korb. Den durfte der Pianist dann wieder zurückholen. Bescheidenheit in eigener Sache war eine Zier, die Jenkins sich komplett versagte. Es gab Wichtigeres. Bei ihren Plattenaufnahmen, die in keiner guten Sammlung fehlen dürfen, fanden keine zweiten Versuche statt. Denn wer so etwas probte, musste es ja wohl nötig haben.

Nur ein einziges Mal streifte tatsächlich der Hauch eines Zweifels das Gewissen der Diva resoluta. Eine Note in einer Arie gab ihr ein wenig zu denken, räumte sie ein. Der Tonmeister, längst am Ende seiner Widerstandskräfte, beruhigte sie, um eine einzige Note müsse sie sich wirklich keine Sorgen machen.

Premiere : 15. Januar, Komödie Winterhuder Fährhaus. Bis 14. März. Kartentel. 48 06 80-80, Infos: www.komoedie-hamburg.de .

CD-Tipp : Florence Foster Jenkins "The Glory (????) of the Human Voice" (RCA / BMG).

Youtube : Die Arie der Königin der Nacht aus Mozarts "Zauberflöte": http://www.youtube.com/watch?v=MM6qntPpyZ0