Hamburg. Das Programm hätte gut zum Kalten Krieg selig gepasst. Ost-West-Versöhnung allenthalben: Erst eine Verbeugung vor unseren amerikanischen Freunden, danach eine Sahnetorte voll präsowjetischer Seele. Die Hamburger Symphoniker, dieser Tage ohne Frage das fleißigste Orchesterlieschen der Stadt, krönten ihren Konzertmarathon zur Jahreswende gestern Vormittag unter der Leitung von Andrew Litton mit dem "Haspa-Neujahrskonzert", bei dem Musik von Aaron Copland, George Gershwin und Peter Tschaikowsky erklang.

Waren es Ermüdungserscheinungen der Musiker, oder war es schlicht mangelnde Probenzeit, die die Wiedergabe von Coplands "Rodeo" stellenweise allzu steifbeinig wirken ließ? Die Musik des ersten Satzes "Buckaroo Holiday" scheint mit ihrer Tonleiter-Melodik ziemlich einfach, aber die Rhythmik ist vertrackt, und wenn man die temperamentvollen Synkopen so eckig spielt wie die Symphoniker, wirft jedes Pferd seinen Rodeo-Reiter rasch unwillig ab. Auch das "Corral Nocturne" - diese uramerikanische Pastoral-Idylle, zu der man sich Bohnen aus der Büchse und ein knisterndes Feuer unterm Sternenzelt dazufantasiert (und früher noch 'ne Marlboro) - klang eher nach Lüneburger Heide als nach der endlosen Weite des Mittleren Westens. Allerdings entzückten die Holzbläser. In "Hoe Down" schließlich klapperte der Rhythmus manchmal wie die Hufe von Lucky Lukes Pferd Jolly Jumper, wenn es mit seinem Herrn bockig ist.

Dass die Symphoniker durchaus auch kernig Off-Beat spielen können und mit dem Cinemascope-Schmachtfetzensound amerikanischer Musik eigentlich bestens vertraut sind, bewiesen sie bei der "Rhapsody In Blue", die Litton vom Klavier aus dirigierte. Da kamen die Klanggesten, Bögen und dynamischen Kurven weit besser rüber. Der klangschön und feurig gespielte Solopart gewann durch Littons themennahe Hinzufügungen.

Tschaikowskys 5. Sinfonie e-Moll op. 64 schließlich arbeiteten die Symphoniker mit Brio aus den Tiefen des Schicksals zu den Höhen dessen vermeintlicher Überwindung im Finale empor. Die Bläser hatten brillante Momente, vor allem aber verbeugen wir uns vor dem Pauker Alexander Radziewski: Er hielt den Laden mit zenmeisterlicher Präsenz zusammen. Ein Rätsel aber stellten die Symphoniker ihrem Publikum: Wozu brauchte dieses Konzert einen Moderator?