Ein heruntergekommenes Altenheim und eine gierige Bank - das klingt nicht sexy. Aber Filmregisseur Leander Haußmann findet gern Wege, um eher dramentaugliche Themen in eine Komödie zu kleiden. Dass seine Neuinterpretation von Bernhard Sinkels "Lina Braake" (1975) jetzt mit den Ausläufern der Weltfinanzkrise zusammenfallen würde, hatte er bei der Planung nicht geahnt.

Und mit der Vorlage hat Haußmanns "Dinosaurier" auch nur den Plot gemeinsam. Nicht Lina, sondern Lena Braake heißt diesmal die Rentnerin (Eva-Maria Hagen, 75), die von einem skrupellosen Bankberater (Daniel Brühl) um ihr Haus gebracht wird und ins Altenheim ziehen muss - wo sie allerdings auf Mitstreiter von geballter Lebenskompetenz stößt, mit deren Hilfe sie sich rächen kann.

Sinkels Film mit dem Motto "Die Interessen der Bank können nicht die Interessen sein, die Lina Braake hat" repräsentierte noch ganz das systemkritische Autorenkino. Über die Interessen von Banken weiß man heute einiges mehr, und deshalb liefert Haußmann keine aufklärerische, sondern eine flott persiflierende Komödie mit dem Untertitel "Gegen uns seht ihr alt aus".

"Dinosaurier" besticht vor allem durch das Aufgebot großer alter Stars. Zu der gichtigen und schwerhörigen Gehwagen-Gang im Film gehören unter anderem Walter Giller (82) und Nadja Tiller (80), Ralf Wolter (83), Heinz Meier (79, der Rentner Lindemann aus Loriots Lotto-Sketch) und Hans Teuscher (72), assistiert von Ingrid van Bergen (78) im Rollstuhl.

Eine Romanze gibt es außerdem: In die backfischhaft-brave, überkorrekte Ex-Lehrerin Lena verliebt sich der Demenz simulierende Schwerenöter Johann Schneider, dessen Rolle Haußmann extra für seinen Vater Ezard Haußmann (74) schrieb. Dass der große ostdeutsche Schauspieler und Eva-Maria Hagen sich aus alten Zeiten kannten, erwies sich als Glücksfall, sagt der Regisseur: "Denn das kann man ja nur schwer erzeugen, dass zwei sich solche Schulhofliebe-Blicke zuwerfen."

Diesem Johann Schneider gelingt es, die turbulente Handlung zusammenzuhalten. Seine Tattrigkeit ist Tarnung: Der ehemalige Anlagebetrüger liebt vollbusige Pflegerinnen und Zigarren, weiß, wie man mit Geld spekuliert und Pflegestufen nach oben manipuliert. "Ich bin einer von denen", lässt der Experte die betrübteLena Braake wissen. "Wir werden es zurückholen, Ihr Häuschen."

Das moderne Gegenüber des alten Fuchses ist der junge Kreditjongleur Tobias Hardmann, der Lena ihr Haus abtrickst. Eine Wunschrolle für Daniel Brühl, der endlich mal "einen richtigen Fiesling spielen" wollte. Solariumbräune, schnittige Strähnchen-Frisur und eine blendend weiße Kauleiste - Hardmann sei "der beschissenstaussehende Typ, den ich je gespielt habe", freut sich Brühl, der sein Image als Dauersympath herzlich satthat. "Aber am Schluss kriegt man fast noch mit diesem kleinen, schmierigen, erbärmlichen Arschloch Mitleid, weil für ihn alles den Bach runtergeht."

Brühl (31) lässt durchblicken, er habe sich als junger Kollege unter den alten Hasen erst mal behaupten müssen: "Die waren schon forsch." Und Haußmann hat die Dreharbeiten als "nicht einfach" beschrieben. Womit er meint, dass erfahrene Komiker ihre eigene Meinung haben, was Timing und was Pointen sind. "Das sind Rampensäue, und an der Rampe kann immer nur einer stehen", meinte Produzent Herman Weigel. Unglaublich komisch etwa ist es, wenn Altenheimbewohner Siegfried (Walter Giller) sich ohne Brille einen Apfel vom Obstteller nimmt und seine dritten Zähne zu spät merken, dass es eine Holzfrucht ist.

"Dinosaurier" stemmt sich wie ein Muntermacher zu Weihnachten gegen die Altersangst. Für jüngere Zuschauer attraktiv wegen Daniel Brühl und Tom Gerhard (als Heimleiter), für Ältere sehenswert wegen des bekannten und überzeugenden Ensembles, das eine unglaubliche Geschichte erlebt. Aber im Alter, sagt Haußmann, ist das Unglaublichste ja mitunter das Wahrste.

Kinostart: 24. Dezember