In “Vorhang auf!“ berichtet Ingo Metzmacher aus sehr persönlicher Perspektive von seiner Lieblingsdroge: die Oper.

Hamburg. Die "Angst vor neuen Tönen", die seinem ersten Buch den Titel gab, hatte er persönlich nie. Im Gegenteil. Wenn es etwas gab, wofür der ehemalige Hamburger Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher bekannt - und bei manchen auch berüchtigt - war, dann die Schwäche für alles Sperrige, Moderne, Widersprüchliche und Anstrengende.

Die Print-Premiere des Dirigenten wurde im Jahr 2005 von der Fachzeitschrift "Opernwelt" immerhin zum "Buch des Jahres" gekürt. Jetzt, wenige Wochen nach der gefeierten Aufführung von Nonos "Al gran sole carico d'amore" bei den Salzburger Festspielen, geht Metzmacher mit seinem zweiten Buch "Vorhang auf!" noch näher ran ans Eingemachte. Es geht um Oper. Um jene Kunstform also, die für ihn mehr und mehr zur Herzensangelegenheit schlechthin geworden ist.

In "Vorhang auf!" berichtet, ja, beichtet ein Süchtiger von seiner Lieblingsdroge. In 15 Kapiteln stellt Metzmacher Werke vor, die für ihn unverzichtbare Teile seiner Welt bedeuten. Strauss' "Elektra", Mozarts "Don Giovanni", Verdis "Don Carlos", aber auch Henzes "Bassariden", Monteverdis "Orfeo", Zimmermanns "Soldaten" oder Wagners "Tristan" sind darunter.

Gebündelt sind die 15 Stücke in drei Akten, getrennt durch "Verwandlung" genannte Einschübe, in denen er portionsweise die Entstehung des mittlerweile legendären Hamburger "Wozzeck" und die Zusammenarbeit mit dem damaligen Leib-und-Magen-Regisseur Peter Konwitschny schildert. Ein Formspiel, gedacht als kleines Bonmot für Opernkenner, denn diese Aufteilung entspricht genau der Struktur des "Wozzeck", den Metzmacher für die beste seiner Hamburger Staatsopern-Produktionen mit Konwitschny hält.

Das Thema Dammtorstraße ist für Metzmacher momentan kein sehr konkretes. Die Tatsache, dass nach langer Generalpause für Konwitschny-Highlights nicht seine Nachfolgerin Simone Young, sondern ihre Stellvertreterin Karen Kamensek eine Wiederaufnahme-Serie vom umjubelten "Lohengrin" dirigiert, mag Metzmacher nicht kommentieren, das sei Youngs freie Entscheidung.

Das Orchester habe er kürzlich beim Gastspiel in Edinburgh wiedergesehen und gehört. "Ich war sehr beeindruckt und würde gern auch mal wiederkommen. Es gab auch eine Anfrage für die ,Meistersinger', aber das klappte nicht." Klingt alles in allem nicht nach einem Da capo als Gast. Dafür hat Metzmacher andernorts zu tun. Nach dem anstehenden Abschied vom DSO Berlin, "aus dem ich meine Lehren gezogen habe", will er wieder mehr als freischaffender Dirigent arbeiten.

Gedacht ist "Vorhang auf!" von ihm nicht als konventioneller Opernführer, sondern als "Erlebnisbericht von jemandem, der Oper sehr mag". Theoretisch oder nüchtern ist deswegen auch gar nichts. Metzmacher erzählt aus der durch und durch emotionalen Perspektive des Interpreten, in einer Sprache, die immer nach Ehrfurcht und Leidenschaft klingt, die plastisch ist und eindringlich. "Oper kann als existenzielle Erfahrung durch die Gesamtheit von Musik, Bild und Theater eine enorme Energie und Wirkung entfalten", meint er. "Das empfinde ich überhaupt nicht als museal, sondern als höchst aktuell." Im Vorwort seines Buchs heißt es dazu: "Die Oper erzählt Geschichten, die uns alle angehen."

Kürzer und treffender kann man es kaum sagen.

Lektüre : Ingo Metzmacher "Vorhang auf! Oper entdecken und erleben" (Rowohlt, 224 Seiten, 16,90 Euro)