Bevor die Mauer für das Happy End im Film fallen konnte, musste sie zunächst originalgetreu nachgebaut werden - allerdings in Halle.

Hamburg. Studentin Franzi Schubert (Felicitas Woll) zieht im Herbst 1989 nach Berlin in eine Altbauwohnung direkt an den Grenzübergang. Vom Fenster aus kann sie in den Osten schauen und entdeckt auf der anderen Seite den Grenzsoldaten Sascha (Maxim Mehmet). Die beiden verlieben sich. Eine Liebe, die Mauern überwindet - Regisseur Peter Timm hat sich bei dem Stoff seines neuesten Films "Liebe Mauer" vom wahren Leben inspirieren lassen. Er selbst wurde am 28. September 1950 in Ost-Berlin geboren. Eine Zeit lang lebte er in der Sebastianstraße, die durch die Mauer geteilt wurde.

Am Kreuzberger Übergang wohnten Studentinnen, die mit den Grenzsoldaten auf dem Wachturm flirteten. Einer von ihnen traf sich mit den Frauen, ohne zu wissen, dass er beobachtet wurde. Die Staatssicherheit erpresste ihn. Er sollte Treffen mit dem "Klassenfeind" arrangieren. "Liebe unter schwierigsten Bedingungen - das hielt ich für einen tollen dramatischen Hintergrund für eine Liebesgeschichte", sagt Timm. Wenigstens im Film sollte sie ein glückliches Ende nehmen. "Daher spielt die Geschichte im Herbst 1989."

Doch bevor die Mauer für das Happy End im Film fallen konnte, musste sie zunächst originalgetreu nachgebaut werden, allerdings nicht in Berlin, sondern in Halle. Das erregte großes Interesse. Lehrer pilgerten mit ihren Schulklassen dorthin. Sogar Verkehrsminister Tiefensee war da.

"Ein furchtbares Ding", nennt Timm die Mauer. Sie verleitete ihn zu Fluchtfantasien. "Immer wenn es mir besonders schlecht ging, weil ich das dritte Disziplinarverfahren am Hals hatte, wenn ich dachte, jetzt gehe ich."

Timm ging vorerst nirgendwohin. 1973 wurde er wegen staatsfeindlicher Hetze zu zwei Jahren verurteilt. Nach einem Jahr kaufte die BRD ihn frei.

"Auf einer FDJ-Versammlung wurde beschlossen, dass jeder von uns zum 100. Geburtstag Lenins eine Verpflichtungserklärung an einen sowjetischen Pionier schreibt, darüber, wie er gedenkt, Lenin zu gedenken. Lächerlich!", sagt der Filmregisseur. Timm studierte an der Humboldt-Universität Russisch und Geschichte. Für die Übersetzung der Briefe wurde er vom Studium freigestellt. "Und dann wurden die nicht mal verschickt. Ich habe sie im Keller der FDJ-Kreisleitung gefunden." Niemand kritisierte solch blinden Aktionismus. Nur Timm - und dafür muss er in den Knast.

Der Film soll aber keine Aufarbeitung der eigenen Geschichte sein. "Ich habe mich ja damals in den vielen Vernehmungen intensiv mit der Stasi auseinandersetzen müssen", sagt Timm. Da habe er schon vieles verarbeitet. Was er kurz nach seiner Übersiedlung verarbeiten musste, war der Verlust seiner Familie und seines zweijährigen Sohnes. Den sah er erst nach der Wende wieder. "Als wir uns kennenlernten, war er 19 Jahre alt", sagt Timm. "Ich durfte ihn nie in der DDR besuchen." Für die war er Staatsfeind auf Lebenszeit. "Diese Dinge ließen sich im Film nicht verarbeiten", sagt der Träger des Bayerischen Filmpreises. "Meinem Vernehmer konnte ich allerdings ein Denkmal setzen."

Thomas Thieme spielt im Film den Stasi-Major, und das so gut, dass Timm darin seinen Vernehmer und dessen Art, Überzeugungsarbeit zu leisten, erkennt. "Er fragte mich, 'Wer sagt Ihnen, dass die Holländer, die Sie in Prag kennengelernt haben und die Sie in Ost-Berlin besucht haben, dass die nicht für den Geheimdienst arbeiten?' Mein gesunder Menschenverstand hat mir das gesagt. Darauf hatte mein Vernehmer die passende Antwort: 'Sie haben die nicht kennenzulernen. Wissen Sie, was Sie für unerlaubte Kontaktaufnahme kriegen? Drei Jahre, fünf Monate." Zum Glück kam es anders.