Der Sohn jüdischer Eltern glaubt nicht, dass Filme das Verhältnis zwischen Israelis und Deutschen verbessern können.

Berlin. Deutsche Schauspieler, die als TV-Kommissare im Ausland auf Gaunerjagd gehen, sind nichts Ungewöhnliches. Der Film "Die Seele eines Mörders" (20.15 Uhr, ZDF) ist jedoch weit mehr als nur ein weiterer Städtekrimi vor hübscher Kulisse: Die Verfilmung eines Bestsellers der israelischen Autorin Batya Gur wurde in Jerusalem gedreht und befasst sich mit Problemen, deren Wurzeln bis zum Holocaust zurückreichen. Heiner Lauterbach verkörpert in dem Krimi, aus dem im Erfolgsfall eine Reihe werden soll, den Jerusalemer Kommissar Michael Ochajon. Die Ermittlungen in einem Mordfall führen ihn zu einem Anwalt, der von Michael Degen (77) gespielt wird. Degen, Sohn jüdischer Eltern, überlebte die Judenverfolgung im Dritten Reich in verschiedenen Verstecken: Seine Autobiografie "Nicht alle waren Mörder" wurde 2006 verfilmt.

Hamburger Abendblatt:

Herr Degen, wie war es für Sie, wieder in Israel zu drehen?

Degen:

Es war auf jeden Fall weit weniger anstrengend als vor einiger Zeit bei einem anderen Film, "Leo und Claire", für den wir in der Altstadt von Jerusalem gedreht haben, obwohl ich Regisseur Joseph Vilsmaier gewarnt hatte, dass das heikel werden könnte. Bei den Dreharbeiten lief ich, gekleidet wie ein frommer Jude, die Straße entlang auf eine versteckte Kamera zu, als plötzlich zwei Leute vor mir standen und ich merkte, dass die unter den Jacken Waffen haben. Ich wusste: Das sind Palästinenser, die wollen mir eins über die Birne hauen. Zum Glück tauchte plötzlich die israelische Geheimpolizei auf, und die beiden Männer entfernten sich im Laufschritt. Diesmal gab es solche bedrohlichen Szenen nicht, wir haben bevorzugt in Villen gedreht, von wo aus man einen wunderbaren Blick auf Jerusalem hatte.

Abendblatt:

Haben Sie bei den Dreharbeiten ein Auge darauf gehabt, dass spezifische Ausstattungsdetails wie die Kopfbedeckung Kippa oder der rituelle jüdische Leuchter richtig verwendet werden?

Degen:

Da gab es einen älteren Herrn am Set, der hat darauf geachtet, dass solche Dinge stimmen, er sprach deutsch und konnte sich mit dem Regisseur und den Schauspielern verständigen. Insgesamt gab es aber keine Probleme - wenn allerdings Szenen vorgekommen wären, die am Sabbat gespielt hätten, wäre es schon etwas schwieriger geworden.

Abendblatt:

Wie war die Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Israelis?

Degen:

Es waren ja auch einige Palästinenser dabei, die in Israel leben, und die Zusammenarbeit war absolut reibungslos. Man darf nicht vergessen: Die Leute waren auch einfach interessiert daran, dass sie Arbeit hatten. (lacht)

Abendblatt:

Kann ein ambitionierter Unterhaltungsfilm wie dieser, aus dem womöglich eine Krimireihe wird, das Verhältnis zwischen Deutschen und Israelis positiv beeinflussen?

Degen:

Das glaube ich eher nicht, da gibt es zu viele Vorurteile, die zum großen Teil auf deutscher Seite liegen. Ich weiß nicht, ob das ausschließlich etwas mit Antisemitismus zu tun hat, aber zum Teil sicherlich. Dieses Volk hat damals schließlich die Nazis gewählt und bis zum letzten Augenblick am "Führer" festgehalten. Diese zwölf Jahre können nicht spurlos am deutschen Volk vorbeigegangen sein.

Abendblatt:

Aber dann ist es doch gut, wenn ein mit Stars besetzter Film, der zur besten Sendezeit läuft, ein wenig Nachhilfe über die Geschichte Israels gibt und dabei auch die unvorstellbaren Verbrechen an den Juden im Nationalsozialismus thematisiert.

Degen:

Ich halte es für fraglich, ob diese Nachhilfe etwas bringt. Es gibt in Deutschland eine zunehmende intellektuelle Verwahrlosung des Volkes, vor allem, was sich in der jungen Generation abspielt, ist für mich schockierend. Die Gewaltbereitschaft wird immer größer, die Hemmschwellen werden immer niedriger. Ich erinnere an das, was in München passiert ist, wo Jugendliche an einer S-Bahn-Haltestelle diesen Manager umgebracht haben, der Kindern helfen wollte. Erschreckend.

Abendblatt:

In dem Film spielen Sie einen Anwalt, dessen Frau im Konzentrationslager von KZ-Arzt Josef Mengele gefoltert wurde. Im Haus des Anwalts darf das Thema nicht angeschnitten werden, weil die Erinnerungen zu schrecklich sind. Empfinden Sie ähnlich? Ihr eigener Vater starb, nachdem er im KZ Sachsenhausen gefoltert worden war.

Degen:

Ich kann durchaus nachempfinden, was in dieser Frau vorgegangen ist, und verstehe, dass der Name Mengele in ihrem Haus nicht ausgesprochen werden darf. Was sie da an Qualen durchgemacht hat bei den Versuchen, die an ihr vollzogen wurden - es ist einfach nicht möglich, über diese Dinge zu sprechen. Ich selber habe es nur ein einziges Mal versucht.

Abendblatt :

Was war der Anlass?

Degen:

Ich wollte mit einem Kollegen, der Auschwitz überlebt hat, darüber sprechen, was er erlebt hat, weil ich das für eine Rolle brauchte. Er hat mir auch einiges erzählt. Zum Beispiel wie er als 15-Jähriger auf der Rampe ankam, wo ein hocheleganter Herr in Uniform mit einer kleinen Reitgerte auf ihn zukam und ihn ansprach. Dieser Mann hat ihn zuerst nach dem Bombenangriff auf Essen gefragt und ihn dann auf die Seite geschickt. Das war Herr Mengele. Er wollte nur wissen, ob der Junge reines Deutsch spricht, weil er jemanden fürs Büro brauchte. Das hat mir mein Kollege erzählt, und seine Frau hat mir danach berichtet, dass er nächtelang immer wieder im Schlaf geschrien hat, weil durch unser Gespräch alles wieder hochkam. Seitdem habe ich solche Fragen nie wieder gestellt.