Heute eröffnet Bundespräsident Horst Köhler das Schiller-Nationalmuseum in Marbach, der Geburtsstadt des Dichters.

Marbach. Nicht auf Schillers Jugendorte konzentrierte sich die Schiller-Verehrung, die kurz nach seinem Tod 1805 einsetzte und sich zügig zum Schiller-Kult steigerte, sondern auf die Stadt seines Ursprungs, die er mit seinen Eltern im Alter von vier Jahren verließ. 1812 wurde das Geburtshaus durch Befragung von Zeitzeugen identifiziert: ein bescheidener Fachwerkbau mit drei Etagen, in dem die Schillers nur ein einziges Zimmer zur Straße hin bewohnten.

"Raum", schreibt später Schiller in einer seiner Romanzen, "Raum ist in der kleinsten Hütte / für ein glücklich liebend Paar."

1859, zum 100. Schiller-Geburtstag, machte man das Häuschen zur Gedenkstätte, jetzt zum 250. hat Marbach es schlicht, aber stilsicher renoviert. Schillers schön besticktes Taufhäubchen ist hier zu sehen, ein Kinderanzug aus Leinen und das Spinnrad von Schillers Mutter.

Von dort zur Schillerhöhe, auf der Schiller vielleicht nie stand, weil er nach dem Wegzug in seine Geburtsstadt nicht mehr zurückkehrte, sind es kaum 20 Fußminuten. Mit Blick auf das romantische Neckartal schuf sich die Schiller-Inbrunst der Deutschen ihren repräsentativen Andachtsort: Denn, wie es in Schillers "Jungfrau von Orleans" heißt, es soll "der Sänger mit dem König gehen, / Sie beide wohnen auf der Menschheit Höhen".

1876 wurde dort das Schiller-Denkmal eingeweiht. Zwischen 1901 und 1903 ein historistisches Schlösschen mit Kuppel und zwei Flügeln als "Schiller-Archiv und -Museum" errichtet. 1934, als dem nationalen Selbstbewusstsein nichts mehr groß genug sein konnte, hat man die Flügel dieses Schlösschens erweitert. In den 70er-Jahren dann wurde das Deutsche Literaturarchiv aus Glas und schmucklosem Waschbeton gebaut und tief in den Berg hineingegraben. 2006 das Literaturmuseum der Moderne als halb ironisches, halb pathetisches Architektur-Zitat der Akropolis an den Berghang geheftet. Und jetzt, pünktlich zum 250. Schiller-Geburtstag, kann das alte Schlösschen, das inzwischen Schiller-Nationalmuseum heißt, renoviert und technisch auf dem neuesten Stand wieder eröffnet werden.

Sein zentraler Raum, der Schiller-Saal, wird künftig frei bleiben und für Veranstaltungen genutzt werden. Die Schlossflügel werden wie früher für die Dauerausstellung genutzt, der nördliche ist Schiller gewidmet, der südliche der Schwäbischen Dichterschule. 668 Ausstellungsstücke sind zu sehen, rund ein Drittel mehr als zuvor.

Ist also alles größer, besser, schöner geworden? Technisch zweifellos. Alle Ausstellungsräume sind konservatorisch musterhaft ausgestattet. Jedes Blatt der unersetzbaren Originalpapiere lagert jetzt im milden Dämmerlicht von 50 Lux, wird umschmeichelt von schonend gleichmäßigen 18 Grad Raumtemperatur und 55 Prozent Luftfeuchtigkeit. Die fragilen Manuskripte brauchen schließlich, wenn sie denn ständig gezeigt werden sollen, zum Überleben den denkbar größten Schutz - "denn die Elemente hassen / Das Gebild der Menschenhand" (Schiller: "Lied von der Glocke").

Ansonsten setzt Direktorin und Kuratorin Heike Gfrereis weitgehend auf den Charme der Dichterhandschriften. Sicher, es gibt auch eine Wand mit Schillerporträts zu betrachten, einen Schaukasten mit Schillerbüsten und eine etwas sargartig geratene Vitrine mit materiellen Überbleibseln der Dichterexistenz: von Schillers Hut über seine Weste, Hose und Strümpfe bis hin zu seinen Schuhschnallen, von Schillers Schnupftabakdose über seine Uhr, seine Schreibfedern, Handwärmer, Stöcke bis hin zu seinen Löffeln und Gläsern sind allerlei Dichter-Reliquien versammelt.

Der weitaus größte Teil beider Ausstellungen zeigt jedoch Briefe, Bücher, Zettel, Druckfahnen, Satzvorlagen, Manuskripte mal von der Hand der Dichter selbst, mal mit Anmerkungen von ihnen.

Aber was bleibt für Besucher, die ihren Schiller (noch) nicht bis in die Details kennen und die deshalb an minimalen Text-Varianten, an Kritzeleien am Blattrand und an der Aura des Originals wenig Genuss verspüren? Selbst die Biografie Schillers, die doch einer der Königswege sein könnte, Laien für den Klassiker zu interessieren, wird in dieser Dauerausstellung nur mit einer spröden Reihe von Jahreszahlen und Ortsangaben erzählt. Dazu dann werden wie der Inhalt einer Akte gezeigt: einzelne Manuskriptblätter, ein Krankenbericht, ein Rezept des Arztes Schiller und Briefe, Briefe, Briefe.

Kurz: Die Ausstellung wirkt fast wie ein Einschüchterungsversuch. Sie präsentiert einen Schiller und eine Schwäbische Dichterschule für Eingeweihte.

Wer noch nicht zu Hause ist in der Welt der Literatur, der wird hier nicht für sie gewonnen werden. Ein wenig schade ist das schon.