Aus Anlass seines 80. Geburtstags führte der Chefdirigent des NDR Sinfonieorchesters ein launiges Zwiegespräch mit dem ehemaligen Ersten Bürgermeister Hamburgs.

Hamburg. Für was das Herz der beiden Brüder jeweils schlägt, das zeigte sich kurz vor Beginn des abendlichen Plauschs vor den Mikrofonen von NDR Kultur ganz deutlich: Klaus von Dohnanyi, der Politiker aus Überzeugung, kommentierte fast reflexhaft und nicht komplett ironiefrei aktuelle Einzelheiten der 18-Uhr-Nachrichten, die aus den Saal-Lautsprechern kamen. Christoph von Dohnányi, der Dirigent aus Leidenschaft, der sich bei der Schreibweise des Nachnamens am ungarischen Musiker-Großvater Ernö von Dohnányi orientiert, unterhielt sich lieber noch kurz mit den drei öffentlich-rechtlichen Kammermusikern auf der Bühne.

Ein Jahr und drei Monate trennen die Brüder aus gutem und bekanntem Hause, und auch bei dem einen oder anderen Thema kommen der ehemalige Erste Bürgermeister Hamburgs und der Chefdirigent des NDR Sinfonieorchesters nicht ganz deckungsgleich zusammen. Obwohl keiner der beiden angeblich so ganz genau wusste, worüber sie bei dieser Livesendung mit NDR-Moderator Ludwig Hartmann eigentlich reden sollten, gingen ihnen die Themen zwei kurze Stunden lang nicht aus. Und ebenso wenig die rasanten Wendungen, mit denen sie Erlebnisse und Erkenntnisse Revue passieren ließen. Keiner der beiden schließlich ist für ausgeprägte Meinungsschwäche bekannt.

Vom Komponisten Mahler zum Maler Janssen, das schafften die beiden elegant in zwei Sätzen und stritten sich drumherum genüsslich über Geschmacksfragen, weil man sich genau darüber ja eigentlich gar nicht streiten kann. Aber besonders gut als Brüder, die einen Spaß daran haben, dem anderen das letzte Wort - zu was auch immer - nicht kampflos zu überlassen.

Natürlich durfte dabei Klaus von D.s Verweis auf sein klassisches Theater-Lamento - das mit den anständigen Stücken und den nicht ganz so anständigen Deutungsversuchen - nicht fehlen, während Christoph von D. sich süffisant zum Mut zur neugierigen Verständnislücke bekannte. "Kunst, die man wirklich versteht, ist nicht groß genug." Woraufhin Klaus von D. als Älterer dann einen noch umfassenderen Bogen schlug: "Es gibt keine wirklichen Skandale, weil es keine Gesellschaft mehr gibt." Aus These und Antithese wurde später aber die versöhnlich verbrüdernde Synthese "Da sind wir nicht einer Meinung" - "Das wissen wir auch beide." Schön, dass sie mal so darüber geredet haben.

Nachdem die ästhetische Abteilung so zur vollsten Zufriedenheit aller Anwesenden abgehandelt war, ging es ums Familiäre. Um "den Großvater", den Komponisten Ernö von D., der an den Rand einer mühsam zusammengezimmerten Violinsonate des jungen Enkels Christoph notierte "Warum so hässlich, wenn es auch schön geht?" Um gemeinsame Auftritte von Klaus und Christoph als Komparsen in der Münchner Oper, wo sie so oft auf der Bühne herumstanden, dass sie die Duette auch selbst hinbekamen, denn Klaus von D. hatte damals, in aller Selbstbescheidenheit, "eine ungeheure Spannweite als Sopran".

Sie konnten aber auch ernst werden. Bei den Söhnen eines berühmten Widerstandskämpfers, der für seine Überzeugung sein Leben opferte, gehören Lebensmaximen wie Haltung und Zivilcourage zur Bewusstseinsbildung. "Wir sind nicht geprüft", betonte der Ältere, "Mut ist nicht erblich." Sein Bruder wurde noch persönlicher: "Mut habe ich in meinem Leben noch nicht wirklich bewiesen. Aber ich habe keine Angst." Zum Auftakt des Abends hatte Klaus von D. dem Bald-Jubilar den Rat gegeben, einfach weiterzumachen. Vom noch 79 Jahre jungen Dirigenten kam am Ende die radikal nach vorn gerichtete, für ihn typische Unvollkommenheitserklärung: "Zufrieden? Das Wort kenne ich nicht."

Geburtstagskonzert : 8.9., 19 Uhr, Laeiszhalle, Gr. Saal. NDR Sinfonieorchester und NDR-Chor mit einem Überraschungsprogramm. Solisten: Thomas Hampson (Bariton), Emmanuel Ax (Klavier), Frank Peter Zimmermann (Violine). Kartentel. 01801/78 79 80.