Nichts Neues unter der Sonne, so heißt es im Text aus dem Buch der Prediger, den Jörg Widmann dem letzten seiner fünf Streichquartette zugrunde gelegt hat.

Hamburg. Und in der Tat ist auch Widmanns fünfteiliger Streichquartettzyklus mehr ein Metastreichquartett, in dem die diversen Spielarten der Gattungs- und Musikgeschichte durchdekliniert werden.

Da gibt es geräuschhaftes Geknirsche und Obertonglissandi aus der Hexenküche der Avantgarde, einen schwer-lastenden Grave-Duktus nach dem Vorbild von Haydns "Sieben letzten Worten", ein Jagd-Halali frei nach Schumann oder einen Bach, Beethoven und Schönberg gleichermaßen heraufbeschwörenden Fugenschlusssatz. All dies zupackend und lustvoll komponiert und garniert mit zirzensischen Einlagen der vier Streicher, die ihre Bögen wie Peitschen knallen lassen, wilde Schreie ausstoßen oder in der allzu dünnen Luft der Kunstmetaphysik schwer nach Atem ringen.

So tief und ernst und bedeutungsschwanger das alles daherkommt, die theatralischen Einlagen rücken es doch in die Nähe einer großartigen Kunstclownerie: ein Artistenjonglierstück mit den edelsten Teilen unseres ehrwürdigen Kulturerbes. Claudia Barainsky ließ dazu mit strahlendem Sopran die Worte von der Eitelkeit allen menschlichen Tuns durchs Bucerius-Kunst-Forum schweben. Während das Leipziger Streichquartett gewohnt professionell, souverän - und etwas zu abgeklärt - jeden der vielen Tonfälle traf, mit denen Widmann in seinem grimmig-ernsten Kasperltheater spielt.