Nach dem “Tagesschau“-Streit: Wie viel Kritik und Selbstkritik vertragen die Öffentlich-Rechtlichen?

Hamburg. Für den Blogger Thomas Knüwer ist der ARD-interne Streit um den "Tagesschau"-Blog bezeichnend für die deutsche Medienlandschaft: "Er erlaubt einen Blick in die Stimmungslage der deutschen Medien", sagt er. Da gebe es Leute, die an einem offenen Dialog mit Zuschauern und Lesern via Internet interessiert seien. Andere würden schon bei der leisesten Kritik am liebsten alle Online-Anschlüsse kappen.

Zur zweiten Kategorie zählt demnach auch der Chef des ARD-Hauptstadtstudios, Ulrich Deppendorf. "Ich bin dagegen, dass Chefredakteure bloggen, um ihre eigene Befindlichkeit darzustellen", hatte er am Wochenende dem Abendblatt gesagt. Das richtete sich an die Adresse von Kai Gniffke, dem Chefredakteur von ARD-aktuell. In seinem Blog auf Tagesschau.de hatte er in einem eher launigen Beitrag über das Sommerloch geschrieben, man hätte jedes Thema der "Tagesschau"-Ausgabe vom vergangenen Dienstag "auch lassen können".

Für Deppendorf war diese kleine Frotzelei schon zu viel der Kritik: "Das hätten Sie uns ja auch schon etwas früher mitteilen können ", schrieb er einen Tag später im selben Blog, "dann hätten die Kollegen und Kolleginnen aus dem Hauptstadtstudio und in der Republik ja schon eher die Arbeit für die 'Tagesschau' einstellen können."

Knüwer, der auch Redakteur des "Handelsblatts" ist, aber vor allem durch sein Blog "Indiskretion Ehrensache" bekannt wurde, stellt die ARD-interne Diskussion in einen Zusammenhang mit einem Vorfall beim ZDF. Dort wurde gerade das Internetforum zum neuen Nachrichtenstudio des Senders geschlossen. Knüwer vermutet, wie auch andere Nutzer des Forums, dass dies auf die heftige Kritik zurückzuführen ist, der die ZDF-Macher ihr Studio im Internet ausgesetzt sahen. Was das ZDF natürlich abstreitet.

Auch Gniffke kritisierte das neue Prunkstück des Zweiten in seinem Blog, wenn auch vergleichsweise zurückhaltend. Dennoch warnte ihn Deppendorf vor "zu viel Hochmut" und mahnte "ein wenig mehr Solidarität durch Schweigen mit dem anderen öffentlich-rechtlichen System" an: "Vielleicht benötigen wir dessen Unterstützung irgendwann auch einmal."

ARD und ZDF als Schweigekartell in Sachen Kritik und Selbstkritik in eigener Sache? Ein solches Selbstverständnis wirkt im Online-Zeitalter, zurückhaltend formuliert, etwas antiquiert. Betrachtet man den ARD-Blog-Streit aus dieser Perspektive, wirkt er wie ein Generationenkonflikt: auf der einen Seite der Neuerer Gniffke, auf der anderen der öffentlich-rechtliche Dino Deppendorf. Beirren lässt sich der Chefredakteur von ARD-aktuell von dem Mahner aus der Hauptstadt jedenfalls nicht. Die Frage, ob er seinen Blog-Eintrag vom vergangenen Dienstag im Nachhinein als Fehler betrachte, beantwortet Gniffke knapp mit Nein. Ebenso unmissverständlich fällt seine Antwort auf die Frage aus, ob er sich auch künftig unbefangen im "Tagesschau"-Blog äußern werde: "Ja."