RTL nahm ohne Wissen des Arztes ein Patientengespräch auf. Ein Gericht entschied: Das ist verboten.

Hamburg. Ob Günter Wallraff als Türke Ali die Arbeitsbedingungen "ganz unten" recherchiert oder ein TV-Magazin mit versteckter Kamera herausfinden will, ob Kioskbetreiber Alkohol an Jugendliche abgeben - die verdeckte Recherche ist ein klassisches Handwerkszeug des investigativen Journalismus. Nun hat das Landgericht Düsseldorf eine Entscheidung gefällt, die Recherchen mit versteckter Kamera künftig unmöglich machen könnte.

Herbeigeführt hat die Entscheidung ein Düsseldorfer Arzt. In seiner Praxis erschien vergangenen Monat eine Frau, die vorgab, wegen eines Jobwechsels unter Stress zu leiden, weshalb sie eine Betablockertherapie benötige. Der Mediziner wusste nicht, dass es sich bei der angeblich gestressten Dame um eine Reporterin von "RTL extra" handelte, die das Patientengespräch mit versteckter Kamera aufnahm. In der Redaktion des von Birgit Schrowange moderierten Magazins hatte man es für eine gute Idee gehalten, anlässlich des Todes von Michael Jackson, einen Beitrag über Medikamentenmissbrauch ins Programm zu nehmen. Dabei sollte gezeigt werden, wie leicht es auch hierzulande ist, an verschreibungspflichtige Arzneien zu kommen.

In der am 26. Juni ausgestrahlten Sendung wurden Stimme und Aussehen des Arztes zwar verfremdet. Dennoch forderte er umgehend von RTL eine Unterlassungserklärung , die er auch erhielt. Eine Sendersprecherin will das aber nicht als Schuldeingeständnis verstanden wissen. Man unterzeichne häufiger solche Erklärungen, "um uns und den Behörden unnötige Arbeit zu ersparen". Außerdem habe man ohnehin nicht vorgehabt, den Beitrag noch einmal zu zeigen. Eine noch weitergehende Erklärung, in der sich RTL verpflichten sollte, auch in Zukunft keine Aufnahmen in den Räumen des Mediziners zu machen, unterzeichnete der Sender aber nicht.

Deshalb rief der Arzt nun das Landgericht Düsseldorf an, das eine einstweilige Verfügung erließ, in der es heißt, RTL sei es untersagt, in der Praxis des Klägers "ohne dessen Einwilligung" zu drehen. Es handelt sich um eine vorläufige Entscheidung ohne vorangegangene mündliche Anhörung. Dennoch macht sich der Anwalt des Arztes schon Gedanken, wo möglicherweise demnächst noch Aufnahmen mit versteckter Kamera verboten werden könnten, beispielsweise in Anwaltskanzleien oder bei Gesprächen von Bankberatern.

Bei RTL will man zwar nicht von einem Präzedenzfall sprechen. Der Tragweite des Richterspruchs ist sich der Sender aber bewusst: "Wenn es bei dieser Entscheidung bliebe, wäre das eine nicht hinnehmbare Beschneidung der Rechte investigativ arbeitender Journalisten", sagt die Sprecherin. Deshalb werde ihr Haus nicht das Hauptsacheverfahren abwarten, sondern bereits gegen die einstweilige Verfügung vorgehen.