Die freie Hamburger Theatergruppe begibt sich in ihrem neuen Stück in einen theatralischen Selbstversuch. Dazu verarbeiten sie den Disco-Hit “Staying Alive“ ebenso wie den Filmschocker “Blair Witch Project“.

Hamburg. Krisenbewältigung ist für Karl-Heinz Ahlers, Thomas Esser und Hartmut Fiegen sozusagen Programm: Denn ihr Name Theater Plan B signalisiert, dass die freie Gruppe reagieren kann, wenn's anders als geplant läuft. Was bei anmaßend klingenden Projekten wie einer Bühnenadaption von T. C. Boyles Roman "Drop City", nicht gerade Kammerspielformat, ratsam erschien. Doch alles ist bisher so gut gegangen, dass das Ensemble, 1995 in Hildesheim gegründet und seit einigen Jahren vor allem in Hamburg aktiv, die Anforderungen stets gesteigert hat.

Riskanter als in ihrem neuen Stück im Lichthof-Theater geht es jedoch kaum: "Die überleben wollen" erscheint auf den ersten Blick als ein Kommentar zur aktuellen Krise, tatsächlich aber ist es mehr, nämlich gelebter Existenzkampf: Die drei Akteure müssen, zurückgeworfen auf sich selbst, überleben. Es gibt scheinbar kein Bühnenbild, keine Kostüme; stattdessen stehen Beutel mit Textilien wie bei der Altkleidersammlung herum, eine Flohmarktkiste Bücher, Schlagzeug, Gitarre, Stühle, ein paar alte Geräte - der eigene Fundus, auf den das Trio, zu Beginn bis auf die Unterhose nackt, zurückgreifen muss, und zwar improvisierend.

In diesem theatralischen Selbstversuch flüchten sie sich in groteske Kostüme, lesen aus Kempowskis Kriegstagebuch-Sammlung, aus Survival Manuals der U.S. Army, aus theatertheoretischen Anweisungen, während der Text durch dezent ironisiertes Spiel zugleich ad absurdum geführt wird. Sie schmettern den Disco-Hit "Staying Alive", verballhornen ein Kirchenlied und hangeln sich von einem dünnen Handlungsfaden zum nächsten.

Zum Finale spielen sie per Videoprojektion ein bisschen "Blair Witch", ahmen das Überleben durch Kannibalismus à la "72 Tage in der Hölle" nach und verzehren auf dem Campingkocher gebrutzelten Leberkäse, der als Essers Bauchspeck ausgegeben wird. Nach zwei chaotisch-intensiven Stunden bekennt Ahlers: "Ich bin total leer gespielt." Dennoch ein Fazit, das zum Weitermachen zwingt: "Wir sind zur Entwicklung verdammt." Wie wir alle.

Lichthof, wieder am 21. u. 23.5., 20.15 Uhr, 24.5. 19 Uhr, Tel. 85 50 08 40