Der 81-Jährige hatte die Presse-Agentur dpa wegen angeblich unterlassener Berichterstattung kritisiert. Diese Äußerungen darf er nicht wiederholen.

Er hat die Unterlagen in Klarsichtfolie gelegt, damit nichts zerknittert. Nach mehr als einer Stunde sind die Papiere dreimal geknickt und über den Tisch im Hamburger Landgericht, Zimmer B 335, verstreut. "Ich lass mich von Ihnen nicht mit Anlagen bewerfen", sagt die Anwältin der Gegenseite zu Rolf Hochhuth.

Aber der ist wütend. Und wer wütend ist, dem sind Höflichkeiten relativ schnurz. "Wir müssen rational bleiben", sagt Hochhuths Anwalt zu seinem Mandanten. Er sagt es, als spräche er mit einem Kind. Vielleicht, weil er weiß: Der Dichter, der dafür bekannt ist, Instanzen gern Tritte zu verpassen, der mehrfach vergeblich versucht hat, den Intendanten des Berliner Ensembles, Claus Peymann, vor die Tür des eigenen Hauses zu setzen, dieser Mann verhält sich nicht rational. Rolf Hochhuth folgt seinen Gefühlen. Und die sind verletzt.

Worum geht es hier? Eigentlich um eine Lappalie. Hochhuth wirft der Nachrichtenagentur dpa vor, nicht ausreichend über die Enthüllung des Denkmals des Hitler-Attentäters Georg Elser berichtet zu haben. Dass die Berliner Zeitungen den Festakt im November letzten Jahres in seinen Augen nicht angemessen würdigten, schreibt er dem fehlenden Engagement der Agentur zu. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk hat Hochhuth seinem Ärger Luft gemacht. Die dpa verklagte ihn daraufhin auf Rufschädigung. Zu Recht. Nicht nur einmal, gleich mehrfach haben Redakteure die Denkmalenthüllung vermeldet.

"Worüber wir uns hier streiten, interessiert im Grunde niemanden mehr", sagt die Vorsitzende Richterin, als die Verhandlung eine Stunde alt ist. Stimmt. Große Gesten für Kleinlichkeiten. Aber es ist ein Satz gefallen, damals, als Hochhuth mit der Kulturredakteurin der dpa telefonierte ("Es war ein Geschrei, kein Telefonat", sagt Hochhuth), um sie über die Denkmalenthüllung zu informieren, der sich eingebrannt hat: "Das ist nicht so wichtig." Mit diesen Worten soll die Redakteurin den Dichter, auf dessen massives Bemühen hin das Elser-Denkmal überhaupt erst zustande kam, abgebügelt haben. "Nicht so wichtig", schnaubt er im Verhandlungszimmer. Er kann es immer noch nicht glauben.

+++ Rolf Hochhuth: Er weiß mit Zündstoff umzugehen +++

Und darum geht es eigentlich bei diesem Prozess, der nur ein Dutzend Zuhörer an diesem Freitagvormittag ins Landgericht gelockt hat: um Deutungshoheit und Meinungsfreiheit. Um Macht, Rache und verschmähte Zuneigung. Wer kann beurteilen, was wirklich wichtig ist - und wer nicht? Es ist auch ein Schauspiel der Eitelkeiten, das sich hier vor Gericht ausbreitet. Und wie sollte es anders sein, wenn der dramaerprobte Rolf Hochhuth mitmischt, dieser Mann des Theaters, der Bühne, der öffentlichen Einmischung. Das schwarze Sakko, das er sich bei Verhandlungsbeginn über die Schultern gelegt hat, hängt nach einer halben Stunde zerknautscht über der Rückenlehne. Bügelfalten interessieren nicht, wenn um Gerechtigkeit gestritten wird. Darum, ob Hochhuth ein Lügner ist, der falsche Unterstellungen über die unliebsame Nachrichtenagentur verbreitet.

Ein Lügner ist er nicht. Ein Verlierer gleichwohl - auch wenn die Justiz dafür den Begriff "Vergleich" gefunden hat. Hochhuth darf nicht mehr behaupten, dpa habe über das Denkmal nicht berichtet. Denn das hat sie nachweislich. Mehrfach. Er darf ferner nicht behaupten, die Agentur habe ihn auf Schadenersatz in Höhe von 250 000 Euro verklagt, wie eine Zeitung berichtete. Auch das ist falsch. Laut Richterbeschluss soll Hochhuth drei Viertel der Gerichts- und Anwaltskosten übernehmen, ein Viertel trägt dpa. Der Streitwert wurde auf 20 000 Euro festgelegt.

Hochhuth ist verärgert. Über die Kostenverteilung und überhaupt. Sagt, er wolle Widerspruch einlegen. Hochhuth schnaubt. Er setzt die Brille auf und wieder ab. Kramt in seinen Unterlagen. Niemand wird sagen können, dass er an diesem Vormittag nicht in Form war. Dass er nicht alles in seiner Macht stehende getan habe, nachträglich Gerechtigkeit zu erstreiten für eine Sache, in der sein Herzblut steckt.

"Verzeihung, er ist ein Künstler", sagt Hochhuths Anwalt Uwe Lehmann-Brauns irgendwann in der Verhandlung. Und vielleicht bringt dieser Satz das ganze Missverständnis auf den Punkt. Dass Künstler, aufbrausende und lautstarke wie Hochhuth zumal, manchmal ihre eigenen Wahrheiten haben. Dass es im Dialog mit Künstlern ein Kommunikationsproblem geben kann. Der Künstler rauscht aus dem Verhandlungszimmer. Er wolle in die Kunsthalle, sagt er. Den Frauenakt von Lovis Corinth betrachten. Das zumindest kann ihm keiner verbieten.