In Hamburg suchen Deutschlands Landesdenkmalpfleger neue Funktionen für Gebäude, die erhaltenswerte Zeugnisse ihrer Epoche sind.

Hamburg. An der Frage, wie alt ein Bauwerk sein muss, um Denkmal sein zu können, scheiden sich bis heute die Geister. Dabei gibt es schon seit 1904 eine präzise amtliche Festlegung, die im Prinzip noch immer gilt: Mindestens 30 Jahre alt sollte ein Denkmal sein und Zeugnis einer "abgeschlossenen Kulturepoche", heißt es in einem preußischen Rundschreiben, das bald für ganz Deutschland Maßstab wurde.

Die Landesdenkmalpfleger der Bundesrepublik, die sich noch bis zum Mittwoch zu ihrer Jahrestagung in Hamburg treffen, haben es in der Praxis deshalb inzwischen schon mit Bauwerken der 1980er-Jahre zu tun, für die sich die gesellschaftliche Akzeptanz in der Regel in engen Grenzen hält. Bauten aus dieser Zeit werden oft als hässlich empfunden, und tatsächlich denkt man zunächst an anonyme Großsiedlungen und seelenlose Betonorgien in rechtwinkliger Einfallslosigkeit. Das verstellt freilich leicht den Blick auf Bauwerke, die man heute vielleicht nicht mehr (oder noch nicht wieder?) als schön empfindet, die aber ohne Zweifel wichtige architektonische Zeugnisse ihrer Erbauungszeit sind.

Das gilt zum Beispiel auch für die Verwaltungsbauten der 1960er-Jahre, zu denen auf der Tagung eine Buchpublikation unter dem Titel "Zwischen Scheibe und Wabe" vorgestellt wurde. Darin sind exemplarische Bauwerke der sogenannten Zweiten Nachkriegsmoderne dokumentiert, in der sich Architekten um eine rationelle Bauweise, zugleich aber um ästhetischen Anspruch und experimentelle Lösungen bemühten. Mit der City Nord, dem Finnland-Haus und der BP-Verwaltung am Überseering sind gleich drei Hamburger Objekte in dem insgesamt 49 Bauten umfassenden Inventar vertreten.

Das Hauptthema der Tagung, an der knapp 300 Denkmalpfleger aus allen 16 Bundesländern sowie mehreren europäischen Staaten teilnehmen, befasst sich unter dem Titel "Denkmal, Werte, Wandel" mit sogenannten Umnutzungen. Wenn ein Denkmal seine ursprüngliche Funktion verloren hat und erhalten werden soll, müssen neue Nutzungen gefunden werden, die sinnvoll und angemessen sind. Kirchen, die von ihren Gemeinden aufgegeben wurden, können zum Beispiel als Kulturzentren oder Bibliotheken genutzt werden. Industriegebäude lassen sich für Wohnzwecke nutzen, doch funktioniert das nur, wenn sich alle Beteiligten um Kompromisse bemühen. So ging der Wasserturm Sternschanze mit seiner Umnutzung zum Hotel zwar als technisches Denkmal verloren, blieb aber mit der wichtigen stadtbildprägenden Wirkung erhalten. Frank Peter Hesse, der Chef des Hamburger Denkmalschutzamts, nennt noch ein anderes Hamburger Beispiel: "Die evangelische Bethlehemkirche in Eimsbüttel stand schon kurz vor dem Abriss, bevor dann doch noch eine überzeugende Umnutzung gefunden wurde. Der Umbau zu einer Kindertagesstätte konnte so realisiert werden, dass sich der ehemalige Kirchenraum noch erleben lässt."