Die Schriftstellerin hat einen Roman über eine Autorin namens Hoppe geschrieben und ist in dieser Woche Forschungsobjekt im Literaturhaus.

Hamburg. Zwei Tage nachdem der Schriftstellerin Felicitas Hoppe der Büchner-Preis zuerkannt wurde, betrat die solcherart Hochgeehrte einen Hörsaal an der Hamburger Uni. Sie hatte eine Vorlesung zu halten, die dritte von insgesamt acht Veranstaltungen. Hoppe hat derzeit in Hamburg die Gastdozentur für interkulturelle Poetik inne. An diesem schönen Tag im Mai also war der Saal wieder proppevoll, und mit Hoppes Auftreten hob ein Klatschen und Jubeln an. "Die Leute haben den Büchner-Preis gefeiert", sagt Hoppe.

Sie sagt nicht, dass die Leute sie gefeiert haben; aber genau so war es natürlich. Sie haben applaudiert, bevor Hoppe überhaupt irgendetwas sagen konnte. "Das war richtig schön, das Hamburger Publikum ist sowieso sehr zugewandt und aufmerksam", sagt Hoppe. Überhaupt, Hamburg: Man kann schon sagen, dass Felicitas Hoppe, in Hameln geborenen, zu der Stadt eine besondere Beziehung hat. 1997, die damalige Jungautorin war mit "Picknick der Friseure" erstmals literarisch wahrgenommen worden, machte sie eine viermonatige Weltreise: auf einem Frachtschiff, das im Hamburger Hafen auslief. Sie wohnte in einer Offizierskajüte und machte 20 Landgänge - immer noch die beste Reise, die sie je gemacht hat. Dazu muss man wissen: Hoppe, wohnhaft in Berlin, hat viele Reisen unternommen. Ihre Bücher drehen sich ums Weggehen und Wiederkommen, und auch in ihren Hamburger Vorlesungen geht es ums Unterwegssein und die Erfahrungen der Fremde. Hoppe spricht über ihre Texte und die von anderen Autoren, die Literatur hat den Reisenden ja immer schon eine Heimat gegeben. Man denke nur an Odysseus, den Ahnen aller Touristen.

Auf den Tag genau 15 Jahre vor ihrer Antrittslesung, erinnert sich Hoppe, sei sie aus Hamburg in die Welt aufgebrochen, "ein schöner Zufall". Wenn sie heute nach Hamburg fahre, sagt sie, dann komme ihr immer diese Reise in den Sinn. Im Hamburger Literaturhaus findet am 13. und 14. Juni eine internationale Hoppe-Tagung statt - in Anwesenheit der Autorin selbst. Klingt interessant. Oder ist es etwa nicht seltsam, zum Gegenstand der Forschung zu werden und mitteilsamen Germanisten dabei zuzuhören, wie sie das eigene Werk analysieren? "Interessant wird es immer dann, wenn gegensätzliche Meinungen vertreten werden", sagt Hoppe.

Und darüber hinaus? Behält sie manches von dem, was die Philologen so zu sagen haben; anderes vergisst sie sofort. Während der eigenen literarischen Produktion tritt dann alles in den Hintergrund, was je über ihre Literatur gesagt wurde. Das glaubt Hoppe zumindest - vielleicht ein bisschen unterschlagend, dass es ja auch manche Ablagerungen im Unbewussten geben kann.

Wie auch immer: Wer schreibt, der tut dies selten für die Forschung. Sondern für ein Lesepublikum, das sich teilweise über die Lektüre mit der Autorin austauschen will. Hoppe bekommt Briefe, manche von ihnen sind erstaunlich offen, manche aggressiv. Hoppe antwortet immer, sie findet, anders als viele andere Schriftsteller, die Kommunikation mit dem Publikum wichtig: "Die Briefe sind doch ein Zeichen, dass ich wirksam bin mit dem, was ich tue - man publiziert doch, weil man sich Reaktionen wünscht."

Hoppes Literatur - ihr Werk besteht aus Romanen, Erzählungsbänden und Kinderbüchern - wird oft als sperrig beschrieben: Tatsächlich macht sie es den Lesern nicht leicht, ihre ästhetischen Wagnisse sorgen freilich für einen Lektüregewinn. Ihr neues Buch "Hoppe" ist eine Art Autobiografie, in der sie einer in der dritten Person auftretenden Figur namens Felicitas Hoppe ein Wunschleben auf den Leib schreibt. Kindheit in Kanada (samt Eishockeyspielen mit Wayne Gretzky), Jugend in Australien (samt Besuch einer Dirigentenschule), das alles erzählerisch geschickt verknüpft mit der Existenz einer Schriftstellerin, die aus diesen frühen Jahren des Mädchens Felicitas erwächst.

Hoppes heiteres Stück ist auch eine Parodie auf den Literaturbetrieb. Dabei dreht sie sich beschwingt um sich selbst, und zwar so schnell, dass einem als Leser beim Zusehen schwindlig wird. Hoppe installiert mehrere Kritikerinstanzen, die mit mal klugen, mal verschwurbelten Feuilletonistensätzen ihre Texte bewerten. Amüsant wird es besonders dann, wenn sie mit dem Kritikerurteil auf die eigene Schöpfung eindrischt. So lässt sie den fiktiven Kritiker Kai Rost auftreten, der harsch formuliert: "Hoppe, wir wissen es längst, kann weder Biografie noch Autobiografie." Dass sie damit den wirklichen Kritikern auf sehr direkte Art den Wind aus den Segeln nimmt (was die ihr wiederum zum Vorwurf machen), sieht sie nicht so: "Ich mache mich nicht lustig über sie, im Gegenteil: Ich mache ihnen eine Liebeserklärung!"

Rezensionen liest sie übrigens nicht, aber durch den Flurfunk weiß sie dann doch immer über die Meinung der anderen Bescheid. Sie muss trotzdem viele Literaturkritiken kennen, denn den bisweilen elaborierten Stil der professionellen Leser imitiert sie virtuos. Der Autor und der Kritiker - das Thema ist wahrscheinlich so alt wie die Literatur selbst. Hoppe findet, dass hochgestochene Kritik einer gewissen Komik nicht entbehrt - aber ihr Lachen entspringt niemals einem Ressentiment. "Wenn ich manches von dem lese, was ich einmal geschrieben habe, frage ich mich oft: Was hast'n dir dabei gedacht? Lachen ist immer auch eine Befreiung."

Felicitas Hoppe gibt gerade in "Hoppe", bei allen Verfremdungen und Verzerrungen durchaus etwas von sich preis. Das sei schon sie, die da auftrete, "die Charakterdarstellung folgt der 'echten' Felicitas". Ausdeuten will sie ihr Werk aber nicht, wobei sie diesbezüglich auch sagt: "Einem Gespräch über meine Texte entziehe ich mich nicht." Sie lernt dabei nämlich selbst etwas über sich und ihr Schreiben. Sie erfährt etwas über den Reichtum ihrer Bücher, von denen sich viele Leute angesprochen fühlen. "Ich schätze die Meinung der Menschen, die mich lesen", sagt Hoppe.

Den Typus dieses freien Lesers, der ohne Bedienungsanleitung ihre Romane liest, findet sie immer wieder: zurzeit ganz besonders in einem Hörsaal der Uni Hamburg.