Mit “Banga“ hat US-Sängerin Patti Smith ein herausragendes Album vorgelegt, gespickt mit literarischen und historischen Anspielungen.

Zehn-Minuten-Songs sind schon lange aus der Mode. Aber Mode war für Patti Smith ebenso wenig ein Kriterium wie Wünsche ihrer Plattenfirma oder geänderte Hörgewohnheiten. Auf "Banga", ihrem neuen Album, hat sie eine ausufernde Nummer mit dem Titel "Constantine's Dream" fast an das Ende des einstündigen Werks gestellt, als Höhepunkt einer herausragenden Platte.

Inspiriert zu dieser düsteren Weltklage hat sie ein Fresko, das im italienischen Arezzo hängt. Es zeigt den schlafenden römischen Kaiser Konstantin, unter dessen Herrschaft das Christentum seinen oft blutigen Siegeszug antrat. Das neue Werk der New Yorker Sängerin, deren Karriere 1975 mit dem Album "Horses" begann, ist gespickt mit literarischen und historischen Anspielungen. "Amerigo" etwa erinnert an den Eroberer Amerigo Vespucci, der römische Philosoph Seneca und der Filmregisseur Andrej Tarkowski dienen ihr ebenso als Titelgeber wie der Hund Banga, auf den sie bei der Lektüre von Michail Bulgakows Roman "Der Meister und Margarita" gestoßen ist.

Auch Trauerarbeit leistet die Rockpoetin, die mit ihren wütenden Auftritten zu einer Leitfigur der amerikanischen Punk- und New-Wave-Bewegung geworden war: "Maria" erinnert an die verstorbene Schauspielerin Maria Schneider, "This Is The Girl" ist ein Requiem für Amy Winehouse und "Fuji-san" mit seinen dunklen Trommeln ein Trauergesang für die Opfer der Erdbebenkatastrophe im vergangenen Jahr in Japan.

Die meisten Songs sind gerader, von Gitarren getriebener Rock. Nur der Titelsong mit Johnny Depp als Schlagzeuger und Gitarrist erinnert in seiner Wildheit an die "Horses"-Phase vor 35 Jahren . Auch Streicher benutzt Smith, um ihre nachdenklichen Texte zu instrumentieren. Gegenüber früheren Alben singt Patti Smith auf "Banga" viel zarter, es scheint, als wäre die Wut der 65 Jahre alten Künstlerin einer Altersweisheit gewichen.

"Banga" endet mit der Coverversion von Neil Youngs "After The Gold Rush". Kinderstimmen singen den Refrain, so, als wären sie die Hoffnungsträger in einer Welt voller Umweltverschmutzung und Krieg.

Patti Smith: "Banga" (Sony Music)