Wie die Vorabendshow “ Gottschalk Live “, die heute zum letzten Mal in der ARD läuft, zu einem der größten Flops der deutschen TV-Geschichte wurde.

Hamburg. Zum Schluss auch das noch: Die ursprünglich für morgen geplante letzte Ausgabe des Vorabendtalks von Thomas Gottschalk hat die ARD ersatzlos gestrichen. So ist die heutige Sendung von "Gottschalk Live" die definitiv letzte. Mit ihr endet ein eher kleines Kapitel deutscher Fernsehgeschichte, das dennoch jede Menge Stoff für eine Satire über eine nicht gerade uneitle Branche bietet. Denn selten traten geballte Inkompetenz, giftige Kabalen und massive Selbstüberschätzung im TV-Geschäft so offen zutage.

Es begann damit, dass der ehemalige MDR-Intendant Udo Reiter seinen ARD-Kollegen vorschlug, das Not leidende Vorabendprogramm des Ersten mit Gottschalk als Talkmaster aufzupeppen. Die übrigen Intendanten fanden, dies sei eine gute Idee. Die ARD-Vorsitzende Monika Piel machte das Projekt zur Chefsache.

Die Kölner Grundy Light Entertainment wurde für "Gottschalk Live" als Produzentin engagiert, was überraschend war, da die Firma sich zwar mit Castingshows ("Das Supertalent"), aber nicht mit Talkformaten einen Namen gemacht hatte. Die erste Sendung vom 23. Januar sahen 4,34 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 14,6 Prozent entsprach - ein guter Wert.

Doch schon bei der Premierensendung fiel auf, wie wenig Gottschalk mit seinem neuen Format anzufangen wusste. Er saß in einem auf Wohnzimmer getrimmten Studio, in dessen hinterem Trakt die Redaktion untergebracht war. Eine Struktur hatte die Sendung nicht. Gottschalk erzählte Döntjes über Heidi Klum und Seal, die sich gerade getrennt hatten, blätterte in Zeitschriften und ging schließlich hinüber in den Redaktionstrakt, um sich mit einer Redakteurin über das Internet auszutauschen. Irgendwann erschien Premierengast Bully Herbig, auf den sich der Entertainer erkennbar nicht vorbereitet hatte. Dessen 2001 gedrehten Erfolgsfilm "Der Schuh des Manitu" verlegte Gottschalk in das Jahr 1982. Damals war Herbig gerade 14 Jahre alt.

"Sie haben eine Show abgesetzt, so what!"

Die darauffolgenden Sendungen waren nicht besser. Gottschalk nannte seinen Gast Anke Engelke Annette und versemmelte mit schöner Regelmäßigkeit die Überleitungen zu den Werbepausen. Das führte dazu, dass die Show trotz des Titels "Gottschalk Live" aufgezeichnet werden musste. Da hatten sich die Zuschauer von dem Format längst verabschiedet. Den vertraglich festgelegten Marktanteil von zehn Prozent erreichte Gottschalk nur mit seiner ersten Show. Am 9. Februar sahen erstmals weniger als eine Million Zuschauer "Gottschalk Live". Der Marktanteil lag bei indiskutablen 3,4 Prozent.

Nun hätte die ARD die Notbremse ziehen können. Nichts sprach dafür, dass die Zuschauer Gottschalk eine zweite Chance geben würden. Das sahen die meisten ARD-Intendanten ebenso. Manche sagten es hinter vorgehaltener Hand auch. Doch die ARD-Vorsitzende Piel wollte einen Neustart. Markus Peichl, Ex-Redaktionsleiter der Talkshow von Reinhold Beckmann, wurde engagiert. Er warf die Wohnzimmerdeko auf den Müll und ließ Gottschalk vor Studiopublikum auftreten. Geholfen hat es nicht: Bereits die achte Show unter neuer Leitung sahen am 29. März nur noch 920 000 Zuschauer.

ARD trudelt nach "Gottschalk live" wieder im Vorabend-Nirwana

Am 18. April gab die ARD bekannt, "Gottschalk Live" mit Beginn der Sommerpause einzustellen. In seinen letzten Sendungen verzichtete der Entertainer auf Prominente und ließ ganz normale Studiogäste persönliche Träume und Hilfsprojekte vorstellen. Zwischendurch erklärte er den Misserfolg seiner Sendung damit, dass er sein eigenes Konzept nicht habe realisieren dürfen. Er habe - allen Ernstes - vorgehabt, den Papst via Live-Schalte an dessen Geburtstag zu interviewen. Derweil, man schrieb den 24. Mai, wollten nur noch 510 000 Zuschauer die Sendung sehen - Minusrekord.

Das riesengroße Missverständnis namens "Gottschalk Live" hat Folgen: Gottschalk will, wie es in Branchenkreisen heißt, vorerst mit der ARD nichts mehr zu tun haben. Grundy Light Entertainment wird so schnell keine Aufträge für Talkformate mehr bekommen. Um die ARD-Vorsitzende Piel ist es einsam geworden. Und das Vorabendproblem des Ersten bleibt ungelöst.

"Gottschalk Live " heute 19.20 Uhr, ARD