Torsten Fischer bringt das Bravourstück von George Tabori als unentschlossene Inszenierung auf die Bühne des Ernst-Deutsch-Theaters.

Hamburg. Dieser Hitler ist anders. Kein stakkatohaft donnernder Wahnsinniger. Sondern ein kindsköpfiger Hanswurst mit lahmender Verdauung. Ein eitler Tiroler Depp in Lederhose mit Federhütchen und Walrossbart. Tonio Arango gibt ihn mit leicht irrem Blick, allerlei Grimassen und wirrer Rede. In einem Schwebezustand zwischen Schrullig- und Gefährlichkeit.

Dass Hitler, dieser Fratze des Bösen, mit den Mitteln der Komödie beizukommen ist, hat George Tabori, der 2007 verstorbene große Mann des Theaters, 1987 in seinem Stück "Mein Kampf" bewiesen; einem verbalen und theaterarchitektonischen Bravourstück. Schon Hölderlin nannte Scherz und Spiel Ausdrucksmittel der ob der Weltläufte Verzweifelten. Nur, diesen Scherz bis zum Äußersten zu treiben, dazu mochte sich Regisseur Torsten Fischer in seiner Inszenierung zum Saisonabschluss im Ernst-Deutsch-Theater nicht durchringen.

+++ Wunderwaffe Witzfigur +++

Den Schauplatz, die beklemmende Enge des Wiener Männerwohnheims in der "Blutgasse", hat Vasilis Triantafillopoulos in eine auf die Rampe verkürzte Bühne mit drei mächtigen, arg aufdringlich an Schule erinnernden, verschiebbaren Tafeln verdichtet, die die Darsteller erst in eine gebückte Haltung zwingen. Am Boden liegen die wohl unvermeidlichen Schuhberge, zu Tode zitierte Metapher des Holocaust.

Hier hinein und damit in die Stadt Schieles, Schnitzlers und Schuberts stolpert der junge Hitler aus Braunau am Inn wie ein "Elefant ins Unterholz". Ein frustrierter Möchtegernkünstler, dessen Porträts "im Zwielicht" an der Akademie scheitern.

Seinen Aufstieg zum Polit-Tyrannen vollzieht Tabori anhand eines herrlich überspitzten, von Hassliebe geprägten Duells zweier ungleicher Männer. Tiefgründig und frech, nachdenklich und makaber zugleich. Die Liebe, von der sie erzählt, ist eine zwischen Faust und Mephistopheles. Hitlers Gegenspieler Schlomo Herzl, Hausierer und Höker von Bibeln und Pornos, wattiert Hitler mit seiner zärtlich bemutternden Menschlichkeit derart, dass sie den Gescheitelten sogar als netten Menschen denken lässt.

Heimliche Hauptfigur und Kraftzentrum des Stückes, ist er bei Peter Kremer ein müder Jude mit unabgeschlossenem Buchprojekt in der Lade. Gewichtiges und Bissiges transportiert er mit fahrlässiger Beiläufigkeit. Dabei schenkt Tabori ihm großartige Sätze. "Ich habe Ihnen eine einfache Frage gestellt, ich erwarte eine einfache Antwort, nicht das Nibelungenlied." Wenn das rhetorische Band von Tannhäuser über Schuhwichse bis zu Shakespeare reicht und Herzl Hitler zärtlich den Bart stutzt, müssten die Funken nur so sprühen.

Auch die Nebenschauplätze verwässern hier eher, als dass sie das Geschehen befeuern. Anna Franziska Srna gibt sowohl Gretchen, die Herzl liebt, als auch die gewichtig uniformiert auftretende Frau Tod, die Hitler erst holen will und sich alsbald mit ihm für den Vollzug des Bösen verabredet.

Symbolhaft bruzelt Herzls geliebtes Huhn Mizzi am Ende in der Pfanne, als es mit der Menschlichkeit vorbei ist. Anders als vor sieben Jahren, als dem jungen David Bösch eine erstaunlich schlüssige Inszenierung mit Tino Mewes und Werner Wölbern im Thalia in der Gaußstraße gelang, bleiben Scherz und Tragik hier gleichermaßen im Halbherzigen.

"Mein Kampf" bis 1.7., Ernst-Deutsch-Theater, Friedrich-Schütter-Platz 1; www.ernst-deutsch-theater.de

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