Der Maxime Schwarz-Weiß hat viele Farben folgt Arte am Pfingstmontag mit einem Thementag. Gezeigt werden Kalssiker wie “Marokko“.

Vor den Fenstern kommt der Sommer in mächtigen Schritten angaloppiert - und mit ihm Kleidungsstücke in Farben, die an Eiscreme und andere Süßspeisen erinnern: Pfirsichorange, zartes Flieder, pastellfarbenes Rosa, Libellenflügelgrün. Dazu alles mögliche in der Farbe Gold, von Sandalen bis hin zu üppigen Ohrgehängen. Da kommt es schon fast einem Hochverrat an die Temperaturoffensive gleich, was der Sender Arte sich für den Pfingstmontag hat einfallen lassen: Ein ganzer Fernsehtag in Schwarz-weiß. Andererseits: Was für eine wunderbare, herrlich klare, reine Idee, die Raum lässt für unendlich viele Assoziationen und Nostalgiegefühle. Schwarz-weiß, das ist ja nicht nur eine Farbe (wobei Weiß korrekterweise als Nichtfarbe gilt), sondern auch ein Lebensgefühl. Eine bestimmte Art, Geschichten zu erzählen, Bilder, Schattenspiele auf die Leinwand zu bringen, die menschliche Silhouette zu betonen.

"Schwarz ist nie ordinär. Farben können aggressiv sein, Schwarz und Weiß sind es niemals", sagt Modevisionär Karl Lagerfeld - und der muss es schließlich wissen, hat doch niemand so überzeugend bewiesen, wie man ganze Kollektionen einzig aus diesen beiden Farben bestreiten kann, heruntergedimmt, bis nur noch ein makelloser Schnitt und kostbare Stoffe zurückbleiben. "Ich kann mir nicht vorstellen, eine Kollektion zu machen, in der es kein Schwarz und kein Weiß gibt", sagt Lagerfeld in der Dokumentation von Rainer Holzemer und Thomas Honickel mit dem etwas sperrigen Titel "Alles kommt aus dem Schwarz und verliert sich im Weiß" - ein Zitat des Mathematikers Louis Bertrand Catel. Denn natürlich ist Schwarz-Weiß nicht nur in der Kunst, von Malerei über Fotografie bis zum Film, ein viel gebrauchtes Ausdrucksmittel, es hat immer auch mit Berechnung, Verfremdung zu tun: Wie viel kann ich wegnehmen, bis nur noch die Urfarbe des Lebens zurückbleibt? Wie reagiert das Zusammenspiel aus Licht und wild schraffiertem Schatten?

"Sterne leuchten heller in Schwarz-Weiß", hat Regisseur Josef von Sternberg einmal gesagt, und wer sein 1930 entstandenes Liebesdrama "Marokko" (16.10 Uhr) sieht, versteht, wie die verführerische Bildkraft zustande kommt. Mit Augenaufschlag, einer leichten Wendung des Kopfes und der Verschattung des Blicks erzählt Marlene Dietrich beinahe schon die ganze Geschichte der lasziven Nachtklubsängerin Amy und ihrer verpassten Liebe zum Fremdenlegionär und Herzensbrecher Tom (Gary Cooper). Jim Jarmusch, dieser gegenwärtig so bedeutende Filmemacher von gestern, darf an diesem Arte-Tag ebenso wenig fehlen wie die legendäre Dokumentation "Berlin. Sinfonie der Großstadt" von Walther Ruttmann aus dem Jahr 1927 - einer jener Filme, die sich ins Bildergedächtnis einschreiben. Die thematische Breite des Schwarz-Weiß-Themas, seine ästhetische Vielfalt bringt mit sich, dass viel Zuschauerwünsche offen bleiben: Jarmuschs geniales Frühwerk "Stranger Than Paradise" hätte man dem Episodenspaß "Coffee And Cigarettes" vorgezogen; man vermisst die alten Filme von Fritz Lang und Ingmar Bergmann, Michael Hanekes Cannes-Sieger "Das weiße Band", diese düstere Folterballade angesiedelt am Vorabend des Ersten Weltkrieges. "Man sollte schon sehr gute Gründe haben, wenn man heute einen Film in Schwarz-Weiß machen will, sonst ist es nur manieriert", sagt Haneke in der den Tag begleitenden Dokumentation. Er dagegen nutzt den Verfremdungseffekt der Bilder, ihre Strenge und das Hochdramatische für seine Geschichte; Schwarz-Weiß verstärkt den Erzählton des Films, der etwas Dokumentarisches hat. Und siehe da: Man kann in Zeiten des Überwältigungskinos tatsächlich Schwarz-Weiß-Filme herausbringen und damit Preise abräumen, dass die Wände wackeln. Das hat gerade erst der Stummfilm "The Artist" bewiesen.

So vieles ist Schwarz und Weiß in der Kunst: Ein Garant für Authentizität und Glaubwürdigkeit. Für Eleganz und Noblesse, die durch den Verzicht auf Farben entstehen. Schwarz und Weiß wie Tage und Nächte. Schwarz und Weiß wie Wahrheit und Lüge. Schwarz und Weiß wie Gut und Böse.

Oder man betrachtet die Sache ein wenig pragmatischer, etwa wie es der Regisseur Guy Maddin zu tun pflegt, der Filme in Stummfilmästhetik dreht: "Ich verstehe einfach nicht, wie Farben funktionieren."

Thementag: Schwarz-Weiß hat viele Farben, Pfingstmontag, ab 10.40 Uhr, Arte