Das Erste zeigt morgen das Gesellschaftsdrama “Inklusion - gemeinsam anders“, in dem zwei Behinderte an eine Gesamtschule kommen.

Es ist der erste Tag des neuen Schuljahres. Schulleiterin Simm (Kirsten Block) begrüßt die Schüler, darunter sind auch die Neulinge Steffi (Paula Kroh) und Paul (Max von der Groeben). Es wird ein echter Neustart, denn durch sie entsteht in der 9. Klasse der Gesamtschule eine ganz neue Unterrichtssituation. Steffi sitzt im Rollstuhl, und Paul hat eine leichte geistige Behinderung. Schüler, Eltern, Lehrer - alle müssen nun auf die Veränderungen reagieren. "Inklusion - gemeinsam anders" heißt der nachdenkenswerte Film, den das Erste am Mittwoch um 20.15 Uhr zeigt.

Als Steffi und Paul erfahren, dass sie fortan in eine Gesamtschule gehen werden, sind sie nicht gerade begeistert. "Was soll ich denn da? Mich anstarren lassen?", giftet das Mädchen im Rollstuhl. Und auch Pauls Mutter dämpft die Euphorie ihres Sohnes: "Ist dir klar, dass dort niemand so langsam im Kopf ist wie du?" Positiv bestärken geht anders.

Aber auch der Lehrer Schwarz (Florian Stetter) hat es nicht leicht. Er stellt sich etwas anbiedernd vor: "Hallo Stefanie, ich bin Albert." Das hätte er vielleicht besser nicht gemacht, denn die Neue provoziert ihren Lehrer, wo sie nur kann. Sie boykottiert Aufgabenstellungen, kokettiert mit ihrer Behinderung, versucht ihn in prekäre Situationen zu bringen und spioniert ihm auf Facebook hinterher. Die Eltern reagieren unterschiedlich auf ihre aggressive Tochter. Ihr Vater (Peter Davor) ist oft verständnisvoll, die Mutter (Ursina Lardi) durchschaut Steffis Spielchen, weiß aber auch nur einen Ausweg: Sie will ihr den Zugang zum Internet verbieten. Das nutzt Steffi immer wieder für ihre kleinen Fluchten.

Paul legt ein ganz anderes Temperament an den Tag. Er ist ruhig und stark. Nur seine Lerndefizite bringen ihn immer wieder zur Verzweiflung, und manchmal verliert er für kurze Zeit die Kontrolle über sein Handeln. Das bringt ihn in gefährliche Situationen.

Lehrer Schwarz will das Prinzip Inklusion umsetzen, wird dazu auch von seiner Schulleiterin ermutigt, letztlich aber alleingelassen. Das Gebäude ist nicht behindertengerecht ausgestattet. Der für die I-Klasse vorgesehene Lernhelfer ist krank. Ersatz kommt einfach nicht. Also muss Schwarz versuchen, die im Unterricht durch die Leistungs- und Verhaltensunterschiede auftretende Differenzen selbst auszubügeln.

Das gelingt ihm mal besser, mal schlechter. Der Rest der Schulklasse reagiert sehr abwartend, aber manchmal auch neidisch auf die Extraportion Aufmerksamkeit, die den Neuen aufgrund ihres Status durch den Lehrer zukommt. Besonders schwer ist es für den Freeclimber Schwarz, der in seiner Freizeit auch im Fels um sein Gleichgewicht ringt, zu Hause. Dort wartet Beziehungsstress auf ihn. Nach einer Abtreibung ist seine Frau nicht mehr gut auf ihn zu sprechen. An dieser Stelle hat Drehbuchautor Christopher Kloeble die ansonsten sehr durchdachte Geschichte doch um eine nicht ganz unwichtige Nuance überfrachtet, die hier aber nicht verraten werden soll.

"Wir wollen fördern und fordern", sagt die Schulleiterin in ihrer Ansprache zu Beginn. Das sind Parolen, wie sie Schulbehörden gern mal weitergeben. Durchaus idealistisch, aber wolkig bis schwammig, die Umsetzung bleibt unklar. Hier legt der Film einen Finger in eine offene Wunde. Das Prinzip Inklusion, also das Recht aller Menschen auf soziale Teilhabe und damit auf den Zugang zu den allgemeinbildenden Schulen, das seit 2010 auch in Hamburg gilt, ist idealistisch. Die praktische Umsetzung ist leider in vielen Aspekten noch nicht bewältigt. Die Sorgen der Eltern, die Bedenken der Lehrer sind berechtigt, im Film wie im Leben.

"Inklusion - gemeinsam anders" lief im Dezember bereits auf BR-alpha. Jetzt zeigt ihn das Erste noch einmal, passend zu den seit Sonntag in München laufenden Spielen der Special Olympics für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Mehr noch als mit Timing überzeugt dieser Film mit seinen starken Schauspielern. Paula Kroh und Max von der Groeben sind für den Günter-Strack-Preis beim Studio-Hamburg-Nachwuchspreis nominiert. Regisseur Marc-Andreas Borchert, der für seinen Abschlussfilm an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg 1999 den Studenten-Oscar gewann, hat hier einen unterhaltsamen Film mit hoher gesellschaftlicher Relevanz inszeniert, der über das Menschenbild in unserer Gesellschaft reflektiert. Und das mit Augenmaß, ohne ein Sozialmärchen zu erzählen, Ideale hochhaltend, aber auch die Möglichkeit des Scheiterns einschließend.

"Inklusion - gemeinsam anders", Mittwoch, 20.15 Uhr, ARD