Beim Internet-Flirt “Gut gegen Nordwind“ bleibt das getrennte Künstlerpaar Saskia Valencia und Helmut Zierl unterhaltsam auf Distanz.

Hamburg. Der Klatsch ist offenbar interessanter als die Kunst. Vor der Hamburg-Premiere von Rüdiger Hentzschels Inszenierung "Gut gegen Nordwind" in der Besetzung mit Saskia Valencia und Helmut Zierl war die Trennung der beiden Schauspieler Tagesgespräch. In Berlin spielten Tanja Wedhorn und Oliver Mommsen die Rollen, in Hamburg jetzt Valencia und Zierl. Als sie zusagten, waren sie noch ein Paar, Ende vergangenen Jahres jedoch trennten sie sich. Künstlerpech.

Jetzt ist die Neugier groß, wie das frühere Paar zusammen spielen könnte. Um es vorwegzunehmen: Es läuft wie am Schnürchen, perfekt. Und es funkt zwischen Valencia und Zierl. Wie früher? Vielleicht. Oder doch gerade deshalb, weil sich die beiden nicht an die Wäsche gehen müssen, wie sonst üblich in den Boulevard-Komödien Marke "Seitensprung".

Insofern ist "Gut gegen Nordwind" nach Daniel Glattauers Bestseller - wie bereits "Shopping" zuvor - im Komödien-Spielplan eine so intelligente wie unterhaltsame Ausnahme. Die Vorstellung dürfte nicht nur ein auf TV-Stars heißes Publikum interessieren, sondern hauptsächlich eine Klientel zwischen 30 und 40. Sie ist meist schon verheiratet, kennt manche Probleme wie auch das Internet, das zum Lebens(gefühl) gehört.

+++ Theater, wie man es selten sieht +++

Darum geht's: Ein Tippfehler in der E-Mail-Adresse hat die Homepage-Designerin Emmi mit Leo, dem Dozenten für Sprachpsychologie, in Kontakt gebracht. Aus dem anfänglich lockeren Chat entwickelt sich, was Leo später eine "Liebesutopie aus Buchstaben" nennt. In Emmi, kokett und schlagfertig gespielt von Saskia Valencia, regt sich Neugier. Sie will den beziehungsgeschädigten Intellektuellen näher kennenlernen und provoziert den zögerlichen Leo: "Ich bin für Sie wie Telefonsex. Nur ohne Sex und ohne Telefon."

Die beiden Schauspieler teilen sich fair die Bühne: Sofaseite für die Dame, Drehstuhl und Schreibtisch für den Herrn. Eigentlich sitzen sie im Computergehäuse, das Julia Hattstein mit Lamellenwänden abschließt. Durch den Vorhang schlüpfen sie zum Chatten heraus. Es wird hell im Kasten, und los geht es mit dem flotten Pingpong-Dialog. Das verbale Duell - mit bissigen Spitzen, lustigen Missverständnissen und dringlicher werdenden Annäherungsversuchen - lädt sich zunehmend mit erotischem Knistern auf.

Daniel Glattauer und die Dramaturgin Julia Zemme haben die Buchvorlage gestrafft und auf die Paargeschichte konzentriert. Die in die Moderne des World Wide Web übertragene Form des "altmodischen" Briefromans erinnert an einen anderen Boulevard-Hit, nämlich "Love Letters" von A. R. Gurney, ebenfalls gern interpretiert von prominenten Schauspielern. Nicole Heesters und Uwe Friedrichsen korrespondierten als getrenntes Liebespaar zuletzt am Ernst-Deutsch-Theater.

Womit wir wieder beim Thema wären. Wie schaffen es nun Saskia Valencia und Helmut Zierl, nach der privaten Trennung gemeinsam aufzutreten? Die Frage lässt sich einfach beantworten. Schauspieler ticken nun einmal anders als der durchschnittliche Bürger. Stehen Mimen erst einmal auf der Bühne, denken sie nur ans Spielen. Sie stecken mit Leib und Seele in einer Rolle, in einer Figur. Ob die oder der Ex als Partner fungiert, ist (fast) vergessen - wie das Lampenfieber, das Magenzwicken oder ein verstauchter Knöchel. Eventuelle Spannungen zwischen "Freunden" animieren den Probenprozess, kommen dem Spielen zugute und somit letztlich auch dem Erfolg.

Glattauers glänzend geschriebener und pointensicherer Schlagabtausch verrät humorvoll etwas über die männliche und weibliche Sicht in Ehe- und Liebesdingen. Durch die persönliche Situation der Darsteller erhält das meist direkt ins Publikum gesprochene Geplänkel dieser Fantasiebeziehung aus sicherem Abstand in manchen Passagen eine pikante Zweideutigkeit.

Zierl und Valencia lassen sich das keineswegs entgehen. Sonst wären sie auch nicht jene professionellen Mimen, die sie nun mal sind. Sie werfen sich treffsicher und witzig die Bälle zu, erobern durch ihre charmante, (selbst-)ironische Darstellung die Zuschauer. Sie vergessen rasch allen Klatsch über das Paar, das sie mal waren, und verfolgen gespannt die von ihnen souverän gezeichneten Figuren. Es kommt halt doch nur auf die Kunst an.

"Gut gegen Nordwind" bis 8.7., Komödie Winterhuder Fährhaus, Karten unter T. 48 06 80 80; www.komoedie-hamburg.de

Entdecken Sie Top-Adressen in Ihrer Umgebung: Theater in Hamburg-Winterhude