Pianistin Julia Hülsmann und ihr Trio machen tiefgründigen Jazz und spielen heute in der Laeiszhalle auch Stücke vom aktuellen Album.

Hamburg. Jazzpianistin - das ist ein wirklich ungewöhnlicher Beruf, nicht nur in Deutschland. Es genügen beinahe die Finger einer Hand, um aufzuzählen, welche Frauen im letzten halben Jahrhundert und mehr an den Tasten im deutschen Jazz für Aufsehen und -horchen gesorgt haben. Zuerst war da Jutta Hipp, die kurz nach dem Krieg zu spielen begann und bald in New York ihr Glück suchte, wo sie es nicht fand.

Nach ihr kam lange gar nichts; Barbara Dennerlein wurde in den 80er-Jahren als Swingmeisterin an der Hammond-Orgel berühmt, nicht aber am Klavier. Dann gibt es Ulrike Haage, die sich aber an den Rändern des Jazz wohler fühlt als mittendrin. Anke Helfrich, die zupackende, ziemlich amerikanisch geprägte geistige Erbin von Monk und McCoy Tyner, gehört dazu, auch die Stuttgarterin Olivia Trummer, die recht einsam das Fähnlein der U30-Jazzerinnen am Klavier hoch hält. Maria Baptist ist von Haus aus Pianistin, genießt aber mehr noch als Komponistin und Arrangeurin einen exzellenten Ruf. Ansonsten ist die weibliche Pianojazz-Welt unter deutscher Flagge öd und leer - gäbe es da nicht sie: Julia Hülsmann, die Frau mit dem herzlichen Lachen, den sehr blauen Augen und dem ungezähmten Blondschopf, die eine wunderbar eigenständige, poetische und kraftvolle Improvisationsmusik hervorbringt. Heute spielt sie mit ihrem Trio in der "Jazz Piano"-Reihe im Kleinen Saal der Laeiszhalle.

Neues Selbstbewusstsein im deutschen Jazz

Julia Hülsmann, 1968 in Bonn geboren und dort aufgewachsen, kommt wie die meisten Jazzer am Klavier, egal welchen Geschlechts, ursprünglich von der Klassik. Zu Schulzeiten spielte sie aber schon in Bands, und womöglich hat die Gewohnheit, dass dort auch gesungen wurde, zu ihrem Raum lassenden Stil am Klavier beigetragen. An der Seite von Sängerinnen und Sängern begann denn auch die Plattenkarriere der Musikerin, die es 1991 Behörden, Ministerien und Beamten gleich getan hatte und von der alten Bundeshauptstadt in die neue umgesiedelt war, nach Berlin. Mit Rebekka Bakken und Anne Lauvergnac nahm sie zwei viel beachtete Alben auf, eines mit Musik zu Texten des amerikanischen Poeten E.E. Cummings, das andere mit Coverversionen von Randy-Newman-Songs. Auch der Berliner Swing-Komet Roger Cicero lieh vor seinem strahlenden Aufglühen am Pop-Jazz-Firmament einem Projekt mit Julia Hülsmann seine Stimme: "Good Morning Midnight" (2005), ein Album mit ihren Kompositionen zu Texten von Emily Dickinson.

Wohl weil etwas fehlte - das Zutrauen in ihre Kraft, auch ohne Gesang Musik von bleibendem Wert zu schaffen -, wechselte Julia Hülsmann vom Marketing-Genie Siggi Loch (ACT) zum auratischen Sound-Guru Manfred Eicher von ECM. Der hat mittlerweile drei zwischen Klarheit und Magie schwebende Instrumental-Alben mit Hülsmanns Tiefgang-Jazz produziert, "The End Of A Summer", "Fasil" (mit dem Gitarristen Marc Sinan) und aktuell jetzt "Imprint".

Und immer mit dabei: das seit 1997 existierende Julia Hülsmann Trio mit Marc Muellbauer (Bass) und Heinrich Köbberling (Schlagzeug). Derart langlebige Formationen im Jazz sind alles andere als selbstverständlich; der Hörer profitiert vom blinden Verständnis der Musiker untereinander, von ihrer energetischen Nähe. Dass Hülsmann und Muellbauer ein Paar und zudem Eltern desselben Kindes sind, macht die gemeinsame Berufsausübung leichter, wenn auch kaum in allen Lebenslagen.

Für Heinrich Köbberling, den intuitiven Strömungstrommler, der in sein leider nur auf Schläge reagierendes Instrument viel Atem bringt, ist der Auftritt heute Abend fast ein Heimspiel; er hat in Hamburg studiert und an der Hochschule für Musik und Theater auch Schlagzeug unterrichtet. Das Julia Hülsmann Trio bildet wohl nicht nur für die Namensgeberin, sondern auch für die viel beschäftigten Herren an Bass und Schlagzeug ihre schönste geistig-künstlerische Heimat.

Julia Hülsmann Trio heute, 20.00 Laeiszhalle Kleiner Saal (U Gänsemarkt) Johannes-Brahms-Platz, Tickets zu 9,- bis 31,- unter T. 35 76 66 66; www.elbphilharmonie.de