“Peter und der Wolf“ erscheinen auf Kampnagel in neuem Gewand - mit behinderten und nicht behinderten Schauspielern und teils neuer Musik.

Hamburg. Als Sergei Prokofjew 1936 "Peter und der Wolf" schrieb, stand dahinter der Auftrag des Zentralen Kindertheaters in Moskau, Kinder mit den Instrumenten des Sinfonieorchesters vertraut zu machen. Streicher, Querflöte, Fagott, Oboe, Hörner, Klarinette - jede Figur und jedes Tier hatte sein eigenes Instrument und sein eigenes Thema. Wenn das musikalische Märchen heute auf Kampnagel Premiere feiert, wird aus dem vermeintlich harmlosen Kinderstück ein postdramatisches Musiktheaterstück mit einem abstrakten Szenario und einem anderen Ende, als Prokofjew es erdacht hat.

Für die Bühne auf Kampnagel hat Regisseurin Anna Malunat es zusammen mit fünf Musikern und dem Theaterensemble Meine Damen und Herren eingerichtet. Die Musik haben Ernst Bechert, Hendrik Lorenzen und der aus New York stammende Gitarrist Marc Ribot geschrieben. "Zwar benutzen wir die bekannten Leitmotive von Prokofjew, aber sie werden transformiert", erklärt Bechert. Die zum großen Teil neu komponierte Musik reagiert auf das Treiben auf der Bühne, bei denen sich die fünf Musiker durch Handzeichen miteinander verständigen.

Mit dem Amerikaner Marc Ribot gehört einer der gefragtesten Musiker der New Yorker Avantgarde-Szene zu dem Ensemble. Ribot ist Mitglied in der Band von Tom Waits, hat früher mit den Lounge Lizards, John Zorn und anderen Klangerneuerern gespielt. "Ich verehre Prokofjew, und mich hat das Konzept dieser Inszenierung überzeugt. Gründe genug, um zum ersten Mal länger in Hamburg zu arbeiten", sagt der 57-Jährige. Neben der Gitarre wird Ribot auch Waldhorn spielen, in Prokofjews Werk ein wichtiges Instrument.

Ebenso besonders wie die Musik werden die szenischen Elemente sein. Während bei Prokofjew nur ein Sprecher den Text liest, werden Peter und der Großvater von den Schauspielern des Ensembles Meine Damen und Herren gespielt - sechs Peter und vier Großväter agieren dabei auf der Bühne. Diese Truppe ist aus dem Bandprojekt Station 17 hervorgegangen, bei dem behinderte mit nicht behinderten Menschen Musik gemacht haben. Meine Damen und Herren ist der Theaterzweig, der auch im Thalia-Theater bei "Draußen vor der Tür" mitwirkt.

Jeder von diesen Spielern versteht sich als Schauspieler, Bühnenerfahrung bringen alle mit. "Die Arbeit war kaum anders als sonst auf dem Theater. Diese Schauspieler sind extrem geduldig und diszipliniert, und es war kein Problem, sieben bis acht Stunden am Tag zu proben", beschreibt Bechert die Arbeit. Einige der Akteure tragen eigene Texte zu diesem neuen Libretto bei, die sie selber sprechen oder die von der Schauspielerin Charlotte Pfeifer synchron vorgetragen werden. "Sie sind stolz auf ihre Arbeit und wollen zeigen, was sie können", sagt Bechert.

Wird bei Prokofjew der Wolf am Ende in den Zoo gebracht, bleibt er in Malunats Inszenierung abstrakte Drohung. In ihrer Deutung steht der Ausbruch von Peter aus der überbehüteten, repressiven Welt des Großvaters am Ende dieses besonderen Musiktheaters. Peter will Freiheit. Auch wenn der Wolf vielleicht irgendwo draußen lauert.

"Peter und der Wolf" heute, 19.30 Uhr, Kampnagel, weitere Vorstellungen 11. bis 13.5., 15./16.5.