Die Zugpferde im St.-Pauli-Theater, Dirk Bielefeldt und Horst Schroth, sind auch beim 25. Jubiläum des Hamburger Kabarettfestivals dabei.

St.-Pauli-Theater. Auf der Straße spielt das Leben. Erfolgreiche Künstler wissen das - zu schätzen. Dort lernen sie, Präsenz zu zeigen, mit Widrigkeiten umzugehen, spontan aufs Publikum zu reagieren. Horst Schroth und Dirk Bielefeldt kennen das. Sie haben in den 70er- und 80er-Jahren viel Straßentheater gemacht. Heute sind beide, Schroth als der Gentleman und Bielefeldt als Herr Holm, Stars des Kabaretts und Zugpferde im St.-Pauli-Theater. Es ist längst beider Stammhaus.

Ihre satirischen Wurzeln liegen indes auf Kampnagel. In der Kulturfabrik feierte 1987 das erste Hamburger Kabarettfestival seine Premiere. "Es war damals eine wilde Zeit", erinnert sich Schroth. "Kampnagel war ein Melting Pot für Künstler aus ganz Deutschland, ein alternativer Spielort und ein sozialer Treffpunkt. Man tauschte sich aus, es entstand ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl." An manchen Festivalabenden wurde auf dem Gelände in vier Hallen parallel gespielt. Abends saßen die Künstler im legendären Casino bei Bier und Wein zusammen. Schroth: "Und etwas andere Kekse wurden auch gebacken ..."

Spötter bleiben hellwach

Dirk Bielefeldt tummelte sich 1987 noch auf der Moorweide. Als Walking Act Herr Holm trat der lange Hamburger mit einer Partnerin in André Hellers avantgardistisch angehauchtem Vergnügungspark "Luna Luna" auf - neben Straßenmusikern, Akrobaten und Kunstfurzern. Die populäre Figur des Polizisten Holm ("Herr Holm für Sie!") mit Hornbrille, mürrischem Blick und leicht schlurfendem Gang entwickelte Bielefeldt erst später. Und hätte er keine Original-Uniform aus der Kleiderkammer sowie die Erlaubnis der Hamburger Polizei bekommen - er hätte nie die Bühne erobert.

Das schaffte er 1991. "Es war das einzige Mal, dass ich Geld von der Kulturbehörde bekommen habe: 14 000 Mark", sagt Bielefeldt. Sein erstes Soloprogramm "Herr Holm - Keiner für alle" wurde als Kampnagel-Produktion gefördert, Bielefeldt konnte sich einen Regisseur (Martin Blau) und Requisiten leisten. Bei jeder Vorstellung zündete er eine Paketbombe und schloss nach der Pause die Tür von Saal k4 von innen ab, hatte jedoch mit seinem anarchischen Humor durchschlagenden Erfolg. "Am Anfang sah ich einige Kabarett-Kollegen die Nase rümpfen, aber ich machte den Laden voll und konnte bald in der größten Halle k6 spielen." Im Jahr darauf dann im St.-Pauli-Theater.

Mit zum Durchbruch verholfen hatte ihm Michael Batz. Der heute als Lichtkünstler und Regisseur des "Hamburger Jedermann" bekannte Autor war 1990 Dramaturg auf Kampnagel. Zuvor hatte Batz im Theater zwischen Tür und Angel mit Schroth auf der Straße agiert und beim Kabarettfestival 1987 im Trio mit Achim Konejung die brandaktuelle "Volkszählungsrevue" aufgeführt. "Wir waren derart erfolgreich, dass wir Zusatzvorstellungen geben mussten", berichtet Schroth stolz. Regie führte Ulrich Waller, damals wie heute Leiter des Kabarettfestivals.

Mit ihm arbeitet Schroth, der 1994 auf Kampnagel mit dem Programm "Null Fehler - Herr Laux versteht die Welt nicht mehr" als Alt-68er-Lehrer auch seine Solopremiere feierte, seit es das Hamburger Satire-Stelldichein gibt.

In seinem aktuellen Programm "Was weg ist, ist weg" spannt der zweimalige Gewinner des Deutschen Kleinkunstpreises, mit 63 Jahren inzwischen in Ahrensburg gut situiert, als Projektentwickler Nikolaus Niehoff einen komischen Bogen von Verlustängsten im Alter bis hin zur Griechenlandkrise.

Das Tagespolitische reizt weder Horst Schroth noch Dirk Bielefeldt als Herr Holm. "Wichtig ist Authentizität", sagt Schroth, "und dass der Kabarettist identisch mit dem Autor ist." Bielefeldt ("Das politische Kabarett war nie mein Ding") hat sich für sein im Spätherbst geplantes neues Programm erstmals eine blaue Uniform zugelegt.

Wenn sich bei der Jubiläumsgala "25 Jahre Hamburger Kabarettfestival" am 14. Mai noch mal die Türen der Halle k6 öffnen, werden Bielefeldt und Schroth selbstredend mit dabei sein. "Es ist ein bisschen wie Nachhausekommen, auch wenn es nicht mehr das eigentliche Zuhause ist", sagt Schroth. Aber alles spielt unter einem Dach.

25 Jahre Hamburger Kabarettfestival Mo 7.5.-So 3.6., Horst Schroth 27.-29.5., jew. 20.00, St.-Pauli-Theater (S Reeperbahn), Spielbudenplatz 29/30; Jubiläums-Gala Mo 14.5., 19.30 Kampnagel, Karten zu 15,80 bis 39,50 unter T. 47 11 06 66; Termine: www.st-pauli-theater.de