Der Freundeskreis Filmfest Hamburg präsentiert “Copacabana“ mit dem französischen Star Isabelle Huppert als unkonventioneller Rebellin.

Wie sehr ein Titel in die Irre führen kann, zeigt Marc Fitoussis Film "Copacabana". Man denkt an Rio, an bunt angezogene, hüftschwingende Menschen, jede Menge Sonnenschein - und landet in Ostende, einem Provinzkaff an der belgischen Nordseeküste mit Hang zu grauen bis graubraunen Plattenbauten und Dauernieselregen. Die schillernde Babou (Isabelle Huppert) passt hierher wie ein Zirkuspferd in die Wüste. Aber das Konto ist in den Miesen, Freunde hat sie verprellt, das Leben muss anders werden, am besten noch heute. Also dann: Ostende.

"Copacabana" bildet den Auftakt der losen Reihe "Filme, die Filmfest Hamburg gerne gezeigt hätte". "Eine Komödie mit sozialkritischem Touch", nennt Regisseur Fitoussi, der zur Vorführung im Abaton-Kino erwartet wird, sein Werk, für das er nicht nur den französischen Superstar Huppert verpflichten konnte, sondern auch Hupperts Tochter Lolita Chammah sowie Noémi Lvovsky, eine wichtige Vertreterin des europäischen Autorenkinos. "Ich bin überzeugt, dass Isabelle Huppert fast jede Figur spielen kann, nicht nur, weil sie gerne etwas riskiert, sondern auch, weil sie jeder Herausforderung gewachsen ist", sagt Fitoussi.

Hupperts Babou ist eine Traumtänzerin, eine Chaotin mit Stehaufmännchenmentalität, die auffällig an die von Sally Hawkins verkörperte, irre gut gelaunte Grundschullehrerin Poppy aus "Happy-Go-Lucky" erinnert. Mit kerzengeradem Rücken und Lederstiefeln mit Raubtiermusterkunstfell spaziert Babou durch diesen Film, als wäre die Welt ein Tanzstudio und sie die Primaballerina mit Fangemeinde. Sie ist nicht der Typ, der Tränen vergießt in die Reste vom Abendessen, nur weil das Auto kaputt ist, das Vorstellungsgespräch im Desaster endet und die Tochter sie auf der Hochzeitsfeier nicht dabeihaben will. Babou raucht eine Zigarette - und macht weiter. Wenn's sein muss, auch in Ostende. Wie buchstabiert man bitte noch mal Problem?

In der belgischen Einöde soll sie Ferienappartements (besser: Rohbauten, die mal Wohnungen werden sollen) an Touristen verhökern, und dass Ostende nicht gerade Gran Canaria ist, macht den Job ungleich schwerer. Aber Babou erweist sich als Naturtalent. Vor allem in den Verkaufsgesprächen gelingen Huppert kleine Miniaturen brillanter Kinokomik. Nach diesem Film weiß man wieder, warum diese Frau mehr Preise hat als andere Schauspielerinnen Haare auf dem Kopf. "Sie scheint in ihren Stoffen aufzugehen oder mehr noch die Stoffe in ihr", hat der Filmkritiker Michael Althen einmal sehr schön geschrieben.

"Copacabana" (Kinostart: 28. Juni) ist keinesfalls der harmlose Sommerfilm, den das quietschbunte Filmplakat und die oft verwendete Bezeichnung "Feelgoodmovie" vermuten lassen. Die beschwingte Leichtigkeit, die ihn durchzieht, verschleiert nur notdürftig die Tristesse eines Ortes, der Leute anspült, die auf der untersten sozialen Stufe angekommen sind. Bis zum Ende bleibt offen, ob Babou verhaltensgestört ist oder nur ein Mensch, der sich mit pippilangstrumpfhafter Aufsässigkeit der Norm widersetzt. Das Gegenteil einer Lebenslauflangweilerin. Fest steht: Frauen, die am Rande der Katastrophe balancieren, mit einem Bein im Abgrund, kann wohl niemand glaubhafter verkörpern als Isabelle Huppert.

"Copacabana" Premiere mit Regisseur Marc Fitoussi, heute, 20.00, Abaton-Kino (Metrobus 4/5), Allende-Platz 3, Eintritt: 7,50 (erm. 6,50)