Für die weltbekannte Konzeptkünstlerin könnte ein Museum entstehen, falls Finanzbehörde Immobilie an die Darboven-Stiftung verkauft

Hamburg. Hanne Darboven war eine Künstlerin, die sich gern mit Dingen umgab, die ihr wichtig erschienen: Postkarten, Aschenbecher, Blechdosen, Kunstwerke, Musikinstrumente, ein Löwenfell, Werbeplakate für Idee-Kaffee, Puppen, Skulpturen. Dermaßen viel häufte die Frau mit den kurz geschorenen Haaren davon an, dass sie in ihrem an sich geräumigen, 500 Jahre alten Fachwerkhaus schließlich kaum noch einen freien Arbeitsplatz fand. Ihre eigenen Konzeptkunstwerke pflastern dicht an dicht die Zimmerdecken.

"Hier kann man unmöglich eine größere Zahl Besucher hindurchführen", sagt Albert Darboven, während er auf schmalen Gängen durch die vollgestellten Räume geht. Nicht alles, was seine entfernte Cousine aus der Harburger Linie der Kaffeerösterfamilie bis zu ihrem Tod im Jahr 2009 schuf und ansammelte, erschließt sich dem Vorsitzenden der Hanne-Darboven-Stiftung, ihrem Testamentsvollstrecker, sofort. Aber jetzt will er ihr ein Denkmal setzen und ihre Werke der Öffentlichkeit dort zugänglich machen, wo sie entstanden: in Rönneburg.

+++ Zur Person: Hanne Darboven +++

+++ Albert Darboven: "Sie war eine starke Frau, mein lieber Freund" +++

Dort wuchs Hanne Darboven auf, dort lebte und arbeitete sie seit Ende der 60-Jahre in ihrem Elternhaus. Ihre handgeschriebenen und nach komplizierten Formeln berechneten Zahlenreihen, ihre Texte und Noten werden weltweit in Museen für zeitgenössische Kunst gezeigt. Die Sammlung Falckenberg in den Harburger Phoenix-Hallen widmet ihr einen eigenen Raum, in einem Nachbarstadtteil wird eine neue Straße nach Hanne Darboven benannt. "Und jetzt hat Hamburg die große Chance, dass seine bedeutendste zeitgenössische Künstlerin so gewürdigt wird, wie es ihr gebührt", sagt Albert Darboven.

Er hat dieser Tage bei der Finanzbehörde ein Gebot zum Kauf einer direkt neben dem Reetdachhaus seiner Künstler-Cousine gelegenen stattlichen Villa eingereicht. Samt Nutzungskonzept. "Wir wollen Hanne Darbovens Kunst einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen", sagt der Stiftungsvorsitzende. Im Keller der gut 100 Jahre alten Stadtvilla ließen sich weitere sichere Aufbewahrungsräume schaffen. In einem jüngeren Anbau könnten Wohnräume für Stipendiaten und die Stiftungsmitarbeiter entstehen, die derzeit den ziemlich unübersichtlichen Nachlass der Künstlerin sichten, dokumentieren und inventarisieren.

Platz genug wäre vorhanden: Haupthaus und Anbau zusammen haben knapp 1000 Quadratmeter Wohnfläche. Jahrzehntelang wurde dort ein Kinderheim betrieben, dann waren Flüchtlinge und Übersiedler untergebracht. Seit sechs Jahren steht das Haus leer. Der Zustand ist nicht der beste, aber die Lage an der Vogteistraße, nur einen Steinwurf vom Burgberg entfernt, ist attraktiv. Die Finanzbehörde forderte 400 000 Euro Mindestgebot.

"Wir haben noch draufgelegt, um deutlich zu machen, dass es der Stiftung nicht darum geht, ein Schnäppchen zu machen", sagt Albert Darboven. Weitere 600 000 bis 900 000 Euro, schätzt er, wird die Vollmodernisierung der Gebäude kosten.

Doch dass die Villa erhalten bleibt und zu einer Art Hanne-Darboven-Museum wird, ist keineswegs sicher: "Ein Abbruch und eine anschließende Neubebauung mit mehreren Wohneinheiten ist wirtschaftlich interessanter", heißt es unmissverständlich im Immobilienangebot der Finanzbehörde. Sie rechnet vor, dass sich auf dem knapp 2200 Quadratmeter großen Grundstück sechs Doppelhaushälften oder zwei Stadtvillen mit je vier Wohnungen errichten ließen. Der Kaffeekaufmann dürfte Konkurrenz haben, und der Senat hat das Ziel, den Bau von 6000 Wohnungen pro Jahr zu ermöglichen.

Wie viele Gebote und welche Nutzungskonzepte ihr seit Ende der Angebotsfrist vorliegen, darüber schweigt die Finanzbehörde wie gewöhnlich in solchen Verfahren. Behördensprecher Daniel Stricker betont aber: "Bei der Entscheidung geht es nicht darum, wer das höchste Gebot abgibt, sondern darum, wer der Stadt das interessanteste Konzept anbietet."

In der Kulturbehörde treffen die Darboven-Pläne auf Sympathie: "Die Kulturbehörde freut sich über jedes Engagement, das dazu geeignet ist, das Werk von Hanne Darboven einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen", sagt ihr Sprecher Enno Isermann. Aber öffentlich Partei ergreifen für Albert Darboven kann die Behörde nicht. "Bei der Ausschreibung handelt es sich um ein laufendes, ergebnisoffenes Verfahren der Finanzbehörde", betont Isermann.

Bis die Hanne-Darboven-Stiftung Gewissheit hat, ob sie ihre Pläne realisieren kann, werden noch Wochen vergehen. In der Finanzbehörde werden die Gebote derzeit gesichtet.