Die Show hat die Zuschauer in Berlin begeistert - und macht Lust auf eine Fortsetzung in Hamburg. Doch es fehlt an geeigneten Räumlichkeiten.

Berlin. Tolles Theater war das, mit Gesang und Tanz und geschichtsträchtigen, auch witzigen Texten. Herbert Knaup tanzt mit Mädchen in Petticoats den "Konjunktur-Cha-Cha" und singt im stilvollen 50er-Jahre-Ambiente Richard Taubers "Ich küsse Ihre Hand Madame". Da hat er, in seiner Rolle als Axel Springer, gerade mal wieder eine Frau verführt, die er seinem Nachbarn ausgespannt hatte. Später wird seine letzte Ehefrau Friede, gespielt von Leslie Malton, dem Macho-Männerhaufen im Verlag elegant das Heft entwenden, und dazu schluchzt es live "This is a Man's World". Friede Springer zu spielen und zu wissen, dass sie in der ersten Reihe sitzt, "das ist eine besondere Herausforderung", sagte Leslie Malton nach der Vorstellung. Die wirkliche Friede Springer schwärmte da schon öffentlich: "Mit der Show könnten die jetzt auf Tournee gehen."

"100 Jahre in 100 Minuten" hieß die Revue, mit der die Axel Springer AG am 2. Mai in Berlin den runden Geburtstag des Verlegers feierte, des Mannes, der - wie es im Stück heißt - "mehr Macht und Einfluss in Deutschland hatte als jeder andere nach dem Zweiten Weltkrieg". Und der wie kein Zweiter polarisierte.

+++ "Sein Wort wäre heute wichtiger denn je" +++

Inszeniert hat die Show Regisseur Ulrich Waller, der als Leiter des St.-Pauli-Theaters seine bewährte Crew aus Hamburg mitbrachte, darunter Bühnenbildner Raimund Bauer und Kostümbildnerin Ilse Welter. Waller sagte: "Ich wusste vieles aus dem Leben Axel Springers nicht. Und wenn, so habe ich vorher nicht auf seiner Seite gestanden. Aus der Zusammenarbeit mit dem Verlag hatte ich das sichere Gefühl gewonnen, wir dürfen alles erzählen. Axel Springers Biografie war für mich eine Einladung, die Geschichte der Bundesrepublik zu erzählen." Waller, der 2011 in Berlin das Udo-Lindenberg-Musical "Hinterm Horizont" auf die Bühne gebracht hatte, schrieb mit Autor Benjamin von Stuckrad-Barre und "B.Z."-Chefredakteur Peter Huth den Text, probte dann vier Wochen. "Natürlich können wir als Hamburger die Geschichte am besten erzählen", sagte er. Und so kamen aus Hamburg für Gastauftritte auch Ex-"Tagesschau"-Sprecher Wilhelm Wieben, Udo Lindenberg und Matthias Stötzel von der Musikhochschule Hamburg mit seiner fünfköpfigen Band. Doch in Hamburg wird weder die Udo-Show noch die Springer-Revue gezeigt werden können. Es fehlt hier an geeigneten Räumlichkeiten. Denkbar wäre allenfalls Kampnagel.

Die Zeitreise startet nach dem Zweiten Weltkrieg. Axel Springer überzeugt die Briten davon, dass er unbelastet ist: "Ich wurde nur von den Frauen verfolgt." Aufstieg, Einsatz für die Wiedervereinigung, die Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden, Studentenbewegung - Licht und Schatten werden in diesem Biopic für die Bühne gestreift. Benjamin von Stuckrad-Barre sagt: "Wir haben ein Jahr lang geschrieben, uns Originalschauplätze auf Sylt, in Hamburg und Berlin angeschaut": Verwendet wurden ausschließlich Originaltöne und dokumentierte Zitate. Springer-Darsteller Herbert Knaup bekennt: "Ich hatte Vorurteile über Axel Springer. Ich habe viel Neues erfahren und den Menschen entdeckt." Dass Knaup so gut singen kann, erklärt er damit, "dass wir zu Hause schon gesungen haben. Meine Schwester ist seit Jahrzehnten Sängerin bei Amon Düül II."

Zu Beginn hatte der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner einen Brief an den ihm persönlich nicht bekannten Verleger geschrieben und dabei sein Schauspieltalent offenbart. Tut sich da eine neue, späte Karriere auf? Am folgenden Tag saßen alle noch mal zusammen und feierten die gelungene Show. "Wir wollen noch nicht voneinander lassen", erklärte Benjamin von Stuckrad-Barre.