Preußens König war von Kriegen erschöpft, hatte Gicht. In der einzigartigen Anlage von Sanssouci verwirklichte er seinen persönlichen Traum.

Er trug einen blauen Rock mit einem Ordensstern und einem schlichten Dreispitz mit weißer Feder; in der Hand hielt er einen Stock. Ich hatte den König vor mir, der ganz Europa mit seinen kriegerischen Taten in Erstaunen versetzt hatte. Ich hatte den Philosophen von Sanssouci vor mir."

Der schottische Schriftsteller James Boswell ist nicht der Einzige, der im Sommer 1764 nach Potsdam reist, um wenigstens einen Blick auf den Preußenkönig zu erheischen. Den Flöte spielenden Schöngeist, der durch seinen nicht für möglich gehaltenen Sieg über Österreicher, Russen und Franzosen zu einer regelrechten Sehenswürdigkeit avanciert ist. Casanova ist bereits ein paar Tage vorher da gewesen und hat es sogar zu einer Privataudienz gebracht. Die eher ambulant gehalten war: Im Park von Sanssouci hat ihn Friedrich mit Fragen zur Wasserhydraulik, zum Steuerwesen und zum Zustand der venezianischen Flotte aus der Fassung gebracht. "Es kam mir vor", schreibt der italienische Erotomane später in seinen Memoiren, "wie wenn ich eine Szene in einer italienischen Oper zu spielen hätte, wo der Schauspieler zu improvisieren hat und, wenn er stecken bleibt, sofort ausgepfiffen wird." Ein Detail scheint ihm bemerkenswert: "Alt", so Casanova, sei der Hut des Königs gewesen.

Jens Bisky, der zum Jubiläumsjahr das vielleicht schönste Buch über Friedrich den Großen vorgelegt hat, kommt zu dem Schluss, dass der König nach dem Siebenjährigen Krieg "ästhetisch abgerüstet" habe. Tatsächlich gewöhnt man sich in Potsdam daran, Friedrich in immer denselben abgetragenen blauen Röcken seines Lieblingsbataillons, des Infanterieregiments Nummer 15 erstes Bataillon Leibgarde, zu sehen. Wie ein 52-Jähriger wirkt er nicht, Gicht und Kriegsstrapazen haben ihn vor der Zeit altern lassen. "Auf der rechten Kopfseite sind meine Haare ganz grau", konstatiert er in einem Anflug von Depression, aber ohne Selbstmitleid, "meine Zähne zerbrechen und fallen aus; mein Gesicht ist runzelig wie die Falten eines Frauenrocks."

+++ Die Jubiläums-Ausstellung in Potsdam +++

Der Schwung der Jugendjahre mag dahin sein, aber mit der Zähigkeit des Soldaten widmet sich Friedrich jetzt seinen Neubauplänen. Er selbst nennt das Neue Palais eine "Fanfaronade", eine Angeberei. Aber die riesige Schlossanlage ist auch eine versteckte Drohung: Europa soll sehen, dass Preußen keineswegs finanziell am Ende ist! Vor allem die Habsburgerin Maria Theresia soll das begreifen.

Als Bauplatz bestimmt Friedrich das westliche Ende des Parks. Weil der gute Knobelsdorff inzwischen gestorben ist, der ihm vor 20 Jahren Schloss Sanssouci auf den Hügel gebaut hat, muss Johann Gottfried Büring ran, der gerade versucht, die Bildergalerie und das Chinesische Teehaus fertigzustellen; zwei Bauprojekte im Park, die durch die Kriegsjahre blockiert waren. Alles wie gehabt: Friedrich macht seinen Baumeister verrückt. Alles versucht er zu kontrollieren, schon die Absteckung des Grundrisses hat er beaufsichtigt, das kleinste Detail muss abgesprochen werden. Spaß macht das nicht. Als ihm der König Unregelmäßigkeiten in der Rechnungsführung vorwirft, nutzt Büring die erste Gelegenheit zur Flucht nach Sachsen.

Carl von Gontard, der Architekt von Friedrichs Schwester Wilhelmine, baut das Neue Palais zu Ende. In einer Rekordzeit von sieben Jahren ist es bezugsfertig, allerdings hat der König gar nicht vor, darin zu wohnen. Die 230 Meter lange Schlossanlage, die 200 Räume und Kabinette und vier Festsäle umfasst, soll Preußens Besucher beeindrucken. Das ist kalte Pracht. Nur das kleine Rokokotheater im Südflügel liegt Friedrich wirklich am Herzen. Eine Königsloge gibt es darin nicht, er sitzt einfach im Parkett, wenn die Mara singt. In der dritten Reihe.

Im Neuen Palais, das anfangs Friedrichsruhe heißen sollte, findet jetzt die große "Friederisiko"-Ausstellung statt, mit der die "Stiftung Preußische Schlösser und Gärten" den großen König anlässlich seines 300. Geburtstags ehrt. Eine Ausstellung, meint Kurator Jürgen Luh, "wie wir sie wohl zu unseren Lebzeiten kein zweites Mal erleben werden". Also eine Jahrhundertausstellung. Aber eine, die Friedrich "realistisch" zeigen will, der eben, wie Luh meint, "nicht immer groß und nicht immer ein guter Mensch sein konnte".

Tatsächlich scheinen die Zeiten vorbei, in denen es nur Schwarz oder Weiß gab, in denen Friedrich der Große verdammt oder verklärt wurde. Parallel zur Ausstellungsvorbereitung haben seit 2007 mehrere internationale Kolloquien stattgefunden, in denen über die Person Friedrich, sein Wirken und seine Zeit nachgedacht wurde. Diese Forschungsanstrengungen hätten den König "durchschaubarer" gemacht, heißt es in dem umfangreichen Essay-Band, der jetzt neben dem Ausstellungskatalog zu haben ist. Das göttergleiche Genie, zu dem Friedrich lange stilisiert wurde, sei nun der heroischen Züge entkleidet, er sei in gewisser Weise Mensch geworden: "Ein Mensch, der Freude haben und genießen wollte."

Der beste Beweis dafür sind die königlichen Schatullrechnungen - heute würde man sagen: Kontoauszüge -, die wissenschaftlich aufgearbeitet wurden, 41 Bände mit insgesamt 910 Blättern und 20 000 Einträgen aus dem Zeitraum von 1742 bis 1786, also nahezu der gesamten Regierungszeit. Daraus lässt sich ablesen, dass Friedrich keineswegs so bescheiden gelebt hat, wie es seine Hagiografen der Nachwelt weismachen wollten. Die 16 Taler für "100 Pfund Orange Puder für S. Königl. M." (Puder nicht fürs Gesicht, sondern die Perücke) lassen sich jetzt ins Verhältnis zu den zehn Talern setzen, die ein Hofarzt monatlich verdiente. Ganz zu schweigen von den 396 Talern, die der Alte Fritz in einem einzigen Winter für importierte Kirschen bezahlte. Andererseits hat Friedrich, der ja auch sein eigener Finanzminister war, seinem Nachfolger einen gesunden Staatshaushalt hinterlassen, als er am 16. August 1786 nach fast 50-jähriger Regentschaft starb.

Sein schönstes Vermächtnis aber bleibt Sanssouci. "Von Potsdam aus wurde Preußen aufgebaut, von Sanssouci aus durchleuchtet." Es gibt keinen schöneren Satz über das Privatissimum Friedrichs des Großen als diesen von Theodor Fontane. Sanssouci ist die Kehrseite der Medaille. Wenn Preußen in den Kasernen Drill und Gehorsam war, dann war es in Sanssouci heiter, arkadisch, philosophisch.

Friedrich, der 1740 wenige Monate nach der Thronbesteigung ins österreichische Schlesien einmarschierte, diesen Überfall salopp sein "Rendezvous mit dem Ruhm" nannte und später noch zwei weitere blutige Kriege um dieses Schlesien führte - der Spötter Mirabeau hatte nicht ganz Unrecht mit seiner Sottise, Preußen sei "in einer Kanonenkugel ausgebrütet" worden -, dieser Friedrich hatte eben auch eine zarte Seele. Er selbst beschrieb sein Refugium so: "Morgens taucht mein Schlösslein ganz / sich in goldnen Frühlingsglanz, / der es grüßt, wenn er erwacht. / Sechs bequeme Treppen lassen / nieder über sechs Terrassen / mählich sacht / Euch zum Haine niedersteigen, / Euch zu flüchten / in die grüne Dämmernacht."

Keiner hat das Wechselspiel von Gartenkunst und Architektur im Park von Sanssouci poetischer erfasst als Friedrich selbst. Der Sehnsuchtsort ist ein 290 Hektar umfassendes einzigartiges Gesamtkunstwerk, dem im Klassizismus noch Schinkel und Lenné ihre Stempel aufdrückten. Über alle Wirren der Zeitläufte hinweg gehegt und gepflegt, wurde es 1990 folgerichtig zum Unesco-Welterbe erklärt.

Als Friedrich der Große starb, hat ihm sein Nachfolger den letzten Willen verweigert, in Sanssouci begraben zu werden. Friedrich Wilhelm II. ließ seinen Onkel in der Potsdamer Garnisonkirche beisetzen. Am Ende des Zweiten Weltkrieges begann dann eine bizarre Irrfahrt über Bernterode im Eichsfeld - wohin man den Sarkophag aus Sorge vor dem Bombenkrieg und den nahenden Sowjettruppen gebracht hatte - über Marburg nach Hechingen, zum Stammsitz der Hohenzollern.

Erst 1991 kehrte Friedrich der Große nach Potsdam zurück. In die Gruft, die er nicht nur für seine Lieblingshunde Alcmène, Thisbe, Diane, Hillis, Biche, Pax, Superbe und Amourette, sondern auch für sich selbst hatte bauen lassen. "Ganz schlicht, auf der Höhe der Terrasse, rechter Hand, wenn man hinaufsteigt." Immer wieder finden sich Kartoffeln auf der Sandsteingrabplatte, zur dankbaren Erinnerung daran, dass dieser König nicht nur ein probates Mittel gegen die Hungersnöte fand, sondern in seinem Staat auch per "Circular-Ordre" durchsetzte.

+++ Zwischen Shoppingmeile und Schloss Sanssouci +++

Überhaupt würde Friedrich staunen, könnte er Sanssouci heute sehen. Die vielen Gärtner, die in den frühen Morgenstunden im Park unterwegs sind, um für das rechte Blühen und Gedeihen zu sorgen. Die vielen Touristen, die, bezaubert von der Leichtigkeit des Seins, auf Filzpantoffeln durch sein Schlösslein rutschen. Und, natürlich, seine Potsdamer, die sich gerade erbittert gegen den Plan des Stiftungsdirektors wehren, Eintritt für den Parkzugang zu erheben. (Der Oberbürgermeister der Stadt hat die Stiftung dringend davor gewarnt, "ausgerechnet im Friedrich-Jahr" eine solch umstrittene Entscheidung zu treffen.)

Und er würde sich über die Flut von Neuerscheinungen wundern, die anlässlich seines 300. Geburtstags erschienen sind. Besonders fein ist der Band über den "Park Sanssouci", der durch Anschauung vermittelt, warum man zu Recht von einem "preußischen Arkadien" spricht.

Das letzte Wort soll Friedrich der Große selbst haben, der, wie man weiß, ein elegantes Französisch sprach (nicht nur mit Voltaire, mit dem er fast sein Leben lang korrespondierte und den er 1750 für drei Jahre nach Potsdam holte), es dafür aber im Deutschen weder mündlich noch schriftlich besonders genau nahm. Als sein Oberhofbaurat Heinrich Ludwig Manger wieder einmal auf Instandsetzungsarbeiten drängte, beschied ihm der König grantig, Reparaturen seien nicht nötig, er wolle ja nicht wie die Römer bauen! "Es soll nur bey meinem Leben dauern!" Zu unser aller Glück haben sich seine Nachfahren nicht an diese Maxime gehalten.