Die ARD hat mit “Die Heimkehr“ zum ersten Mal ein Werk des vor 50 Jahren verstorbenen Schriftstellers verfilmt. Titelsong von Udo Lindenberg.

Hermann Hesse ist wohl jedem im Lauf des Lebens begegnet. Als Schullektüre, als Abschiedskanon in Form des schmerzhaft-schönen Gedichtes "Stufen", als Bruder im Geiste im Prozess der Selbstfindung.

Der junge Udo Lindenberg etwa setzte sich, als er 1969 "Siddhartha" las, diese eigensinnige Story von Buddhas Leben, völlig fasziniert mit dem Buch an die Elbe und hörte dem Fluss zu. Damals entstand der Text zum Song "The River", der nun, im Jahr des 50. Todestages des Literaturnobelpreisträgers, erstmals vertont wurde und als Titelsong des ARD-Fernsehfilms "Die Heimkehr" zu hören ist.

Heike Makatsch wiederum sagt, sie sei kein "Hesse-Jünger" gewesen als Teenager, habe die Lektüre erst viele Jahre später nachgeholt. Und August Zirner ähnelt mit der Brille, dem spitzen Kinn und den leicht vogelhaften Gesichtszügen tatsächlich ein wenig dem berühmten Dichter, dessen "fremder Blick auf die eigene Heimat auch viel mit mir zu tun hat", wie der Schauspieler sagt.

Makatsch und Zirner spielen die Hauptrollen in dieser ersten deutschen Verfilmung eines Hesse-Werks überhaupt, angesiedelt in dem kleinen Städtchen Gerbersau, das sich idyllisch in die üppig begrünte Landschaft schmiegt. Hier trifft man sich im Wirtshaus am Marktplatz auf einen Elsässer, ein Leben jenseits des ritualisierten Treibens, nach dem man die Kirchturmuhr stellen kann, ist schwer vorstellbar. Einer, der dem Ort den Rücken gedreht und in Amerika sein Glück gesucht hat, ist August Staudemeyer (Zirner). Mit seiner Rückkehr nach Gerbersau nimmt der Film Fahrt auf; er tut dies für deutsche Fernsehverhältnisse ungewöhnlich langsam. Vielleicht nur logisch bei einer Vorlage, deren Poesie sich den dramaturgischen Gesetzen der Primetime nur schwer erschließt.

Staudemeyer ist eine Figur, die den Zigarettenstummel gemächlich von einem Mundwinkel in den anderen schiebt, seine Umgebung mit Adleraugen beobachtet und wie ein ausgetrockneter Badeschwamm aufsaugt, was er all die Jahre an Kleinstadtzwist zwischen Gartenhecken, an pietistischer Frömmelei entbehrt hat. Erst als er der einzelgängerischen Witwe Katharina Entriß begegnet, die von den anderen Dorfbewohnern schikaniert wird, erwacht der Heimkehrer aus seiner Lethargie. Er ergreift Partei für sie und versucht, das Vertrauen der Witwe zu gewinnen.

Makatsch, die seit ihrer preisgekrönten Darstellung der halbseitig gelähmten Teddymutter Margarethe Steiff auf historische Stoffe abonniert scheint, paart als Katharina Entriß Rätselhaftigkeit mit kerligem Pragmatismus. Inmitten einer Schar flüsternder Mitläufer ist ihre Figur der polternde Störenfried, eine Nonkonformistin. In den Genuss des berühmten Heike-Makatsch-Lachens, hell und dunkel zugleich, kommt man nur selten in diesem Film von Jo Baier.

Auf die Frage, wann sie denn mal wieder einen tollen Gegenwartsstoff drehe, antwortet Heike Makatsch im Interview: "Ich würde mir sehr wünschen, als Nächstes etwas Nichthistorisches zu drehen. Einfach weil ich mich mit diesen alten Frisuren nicht mehr sehen mag. Aber wenn das bessere Drehbuch dann doch wieder ein historisches Thema haben sollte, dann überlege ich es mir nochmal."

Kerzengerade sitzt sie da, in Jeans und einer gemusterten Isabel-Marant-Bluse - jene französische Designerin, die, das hat die US-Modejournalistin Nicole Phelps hübsch beschrieben, "weiß, was coole Girls tragen wollen, bevor sie es selber wissen". Makatsch spielt längst keine coolen Girls mehr, sie spielt bevorzugt Frauen, denen das Leben eine Menge abverlangt hat. Die, je mehr Verletzungen sich in die Seele eingegraben haben, desto zupackender auftreten. Frauen wie Hildegard Knef, Margarethe Steiff oder eben Katharina Entriß. Was ist Heimat? Das ist die Frage, die der Hesse-Verfilmung zugrunde liegt, die Antwort auf sie passt nicht in 90 Minuten. Wohl aber eine Ahnung davon: Heimat, das ist auch der Geruch von Bohnerwachs, der sich in die Treppenstufen eingegraben hat. Sie prägt einen, ob man will oder nicht.

"Heimat ist nicht da oder dort. Heimat ist in dir drinnen, oder nirgends", hat Hermann Hesse selbst geschrieben. All das spürt man, wenn die Kamera am Ende des Films durch die sonnenbeschienenen Baumkronen fährt und Udo Lindenberg von der Kunst zuzuhören singt. Davon, dass auch der Fluss ein Freund, ein Zuhörer sein kann, oder eben: ein Zuhause.

"Die Heimkehr ", heute, 20.15 Uhr, ARD

Die 30-minütige Dokumentation "Hermann Hesse Superstar" läuft im Anschluss um 21.45 Uhr in der ARD