Eine Glosse von Holger True

Ich kann in die Zukunft schauen. In die des Fernsehprogramms, um exakt zu sein. Kein Trick! Oder jedenfalls nur ein ganz kleiner: die aktuelle Liste mit runden Geburts- und Todestagen. Eine kilometerlange Aufstellung, die auch in den Redaktionen der Fernsehsender kursiert und wie ein heiliger Gral gehütet wird - nur dem Kantinenspeiseplan dürfte noch größere Bedeutung zukommen.

Kein Wunder, dass die ARD heute eine Hermann-Hesse-Verfilmung im Programm hat: Der gute Mann ist demnächst seit 50 Jahren tot. Dass es ihn überhaupt gab, fiel in den vergangenen Jahrzehnten nicht weiter auf, aber eben jetzt. Dank Liste. So lässt sich ganz ohne Kaffeesatz und Tarotkarten vorhersagen, was uns Fernsehgucker als nächstes erwartet. Eine Beatles-Vollbedienung im Juni - Paul McCartney wird 70. Ab August alle Monroe-Filme im Nachtprogramm - 50 Jahre tot. Da lassen sich aus den Archiven viele Programmstunden füllen. Besonders praktisch: eine Kombi im November. Martin Scorsese wird 70, Jodie Foster 50. Ich wette einen 3-D-Plasmafernseher, dass ihr gemeinsamer Film "Taxi Driver" mindestens in allen Dritten läuft.

Mit dem Tod von Jopi Heesters wäre eine Dezember-Konstante fast weggebrochen, doch statt der Sondersendung zum 109. Geburtstag am 5.12. gibt's jetzt eben an Heiligabend ein Special zum ersten Todestag. Irgendwas geht immer. Der Liste sei Dank.