Dieter Gölsdorf startete 1995 mit der Gitarre Starplayer sein Label Duesenberg. Jetzt ist die Manufaktur auf dem Sprung zur Weltmarke.

Und schon wieder ein Tag ohne eine Nachricht aus Fullerton. Bob Dylans Management, das in der 120 000-Einwohner-Stadt in Orange County, im Großraum Los Angeles, Kalifornien, residiert, stellt sich tot. "Tja, Bob ist ein ... Also, er ist etwas skurril, ein komplizierter Kunde eben", sagt Dieter Gölsdorf, räuspert sich, drückt eine Kippe im Aschenbecher aus und zündet sich sofort eine neue Camel-Filter an. Es ist die fünfte, vielleicht sechste Zigarette binnen einer Stunde, die zwischen seinen Lippen verglimmt. Wenn es eine Konstante im Leben des 60 Jahre alten hannoverschen Gitarrenkonstrukteurs gibt, dann ist es das Rauchen. Als zweite Konstante wäre Rastlosigkeit zu nennen und als dritte die Sammelleidenschaft. Mauser-Rundmöbel aus den 1930er-Jahren, Art-Deco-Pretiosen, Nachttischlampen und Gitarrenhälse haben es ihm besonders angetan- Gölsdorf ist bekennender "Design-Messi".

Über ein Jahr ist sein Gitarrenlabel Duesenberg - ein im Vergleich zu den amerikanischen Gitarrenriesen Fender oder Gibson beinahe schon winziges Unternehmen aus dem betulichen Hannover-Vahrenwalde - bereits mit diesem Geheimprojekt beschäftigt. Mit der "Gitarre für Bob", die bisher nur einige wenige Auserwählte in Augenschein nehmen durften. "Niemand, der nicht direkt am Projekt beteiligt ist, darf sie sehen", sagt Gölsdorf und wirkt dabei leicht betrübt, "denn Bob will das nicht, und erst recht will er keine Fotos." Nathan Fawley, Duesenberg-Repräsentant in Amerika, habe ihm zugetragen, sagt Gölsdorf mit gesenkter Stimme, dass Bob Dylan täglich im Internet surfen würde; misstrauisch auf der Suche nach Neuigkeiten, ihn betreffend. Er wolle immer wissen, wer wann was und warum über ihn gesagt hat.

Eine Custom-Gitarre für einen der letzten echten Heroen aus der Woodstock-Ära, zu Lebzeiten bereits eine Legende, wäre natürlich ein Meisterstück. Ein Coup für den Kleinen auf dem Weltmarkt für elektrische Gitarren, Bässe und Mandolinen, der die Großen inzwischen nicht nur ärgert, sondern ihnen manchmal richtig wehtut. Dabei geht es jedoch weniger um Stückzahlen als vielmehr ums Prestige. Das will Gölsdorf natürlich nicht gefährden, jetzt, wo sie eine richtig stattliche Firma sind. Ungefähr 3000 Instrumente, die sie in Handarbeit zusammensetzen, schickten sie jährlich raus, der Umsatz beliefe sich auf 3,3 Millionen, sagt er. Oder so.

Schon ein halbes Dutzend Mal haben sie Bobs Modell hier in ihrer neuen Manufaktur überarbeitet, weil Bob Dylan mal dies nicht, mal das nicht gefallen hat. Dabei müsste er für seine persönliche Gitarre aus deutscher Produktion nicht mal was bezahlen. "Es wäre sozusagen ein Geschenk, wo er doch jetzt nächste Woche 70 wird", sagt Gölsdorf und reißt eine neue Zigarettenschachtel auf. Seine Tagesration trägt er in einer Henkeltasche aus Weichplastik mit sich herum, wenn er innerhalb des Firmengebäudes unterwegs ist, in dem er sich noch nicht so gut zurechtfindet. Zumindest tut er so, wenn er zum Beispiel feststellt, dass er seine eigene Firma nicht betreten kann, weil er für sie keinen Schlüssel besitzt. Auch mit der modernen halbautomatischen Kaffeemaschine im "Kommunikationsbereich Küche" hat er sich nicht so richtig anfreunden können.

Die Zeiten, in denen sie zu dritt, selten auch zu viert, in einem Hinterhofgebäude tüftelten und an den Instrumenten herumexperimentierten, sind vorbei. Produktion, Lager und Verwaltung sind jetzt in einem hässlichen, aber praktischen Industrieflachbau aus den 1950er-Jahren umgezogen, einer ehemaligen Großklempnerei, direkt gegenüber eines bekannten hannoverschen Saunabordells. "Schwupps, waren wir 25 Leute hier", wundert Gölsdorf sich noch immer und öffnet die Tür zu seinem Reich, einem großen Raum am äußersten Ende des Produktionsflurs in der ersten Etage, wohin er sich gerne zurückzieht. Um nachzudenken und zu erfinden. Für etwa fünf Minuten, höchstens, dann fällt ihm wieder irgendetwas ein und dann "muss ich immer ganz schnell los". Seine jüngste Erfindung hat ausnahmsweise nichts mit Gitarren zu tun: es sind rote Lederlappen, die er an den Spann seiner offenen Birkenstock-Sandalen befestigt hat. "Sie schützen den nackten Fuß vor Staub und Nässe, ganz wichtig", erklärt Gölsdorf.

+++Mal was anderes als Modelleisenbahn: Der Workshop zum E-Gitarren-Selberbau+++

Seine Mitarbeiter, die alten wie die neuen, haben sich an die umtriebig anmutende Nervosität ihres Chefs inzwischen gewöhnt. "Wenn Dieter da ist, nimmt er sich ungefähr 25 Aufgaben pro Tag vor", verrät Gitarrenbaumeister Tom Kaiser, Duesenberg-Mann der ersten Stunde. "Komischerweise schafft er das auch, obwohl er alles am liebsten auf einmal erledigen will."

Das Chefzimmer beherbergt ein Sammelsurium aus alten, aber nicht minder berühmten Elektrogitarren von Gretsch, Gibson, Fender, Framus oder Höfner; dazu Metallregale mit Kisten und Kästen voller elektronischer Bauteile, eine voll ausgestattete Gitarrenwerkstatt mit Spannungsprüfern und anderen Messgeräten sowie ein schwarz glänzendes Ungetüm; eine Kommode aus Stahl, ein Mauser-Rundmöbel natürlich, sein jüngstes Schnäppchen. "Dafür hab ich sechs Scheine hingeblättert" sagt er, hörbar stolz, nimmt auf einem durchgesessenen Bürostuhl Platz, greift erst nach einer Zigarette, dann nach einer E-Gitarre und schlägt ein paar Riffs an. Der Sohn eines Bundesbahnjuristen spielt seit dem 14. Lebensjahr Gitarre. "Damals war ich ein relativ schlechter Gitarrist und habe das immer so ein bisschen auf meine Gitarren geschoben - dass die vielleicht daran schuld sein könnten. So habe ich angefangen, die auseinanderzubauen. Jede neue Gitarre, die ich mir gekauft habe, habe ich zerlegt und hab mir dadurch wohl Fachwissen angeeignet." Dass er später sein Jurastudium kurz vorm Ersten Staatsexamen abbrach, um auf Formentera Gitarrenbaukurse anzubieten und kurze Zeit später mit Rockinger den ersten Versandhandel für E-Gitarrenbausätze eröffnete, war dann eigentlich nur konsequent, allerdings zum Leidwesen seines Vaters. Aber das Tüfteln liegt auch in den Genen der Gölsdorfs: So hat Urgroßvater Karl insgesamt 45 Dampflokomotiven für die österreichische Staatsbahn konstruiert, wofür Wien ihn mit der "Gölsdorfgasse" ehrte.

Besonders großen Wert legt Gölsdorf auf brummfreie Tonabnehmer, ein gutes Handling und eine exzellente Verarbeitung. Eine Custom-Gitarre ist dabei im Prinzip nichts anderes als die technisch und optisch aufgepeppte Sonderanfertigung eines handelsüblichen Standardmodells. In diesem Fall erhält die halbakustische Starplayer-TV im Retro-Stil, mit der der Duesenberg-Hype im Jahre 1995 angefangen hatte, eine besondere Lackierung, ein bisschen Silber, besonders raffinierte Tonabnehmer und natürlich das Signet des Musikers, die Unterschrift. "Bei Mike Campell von Tom Petty and the Heartbreakers oder Ron Wood von den Rolling Stones gab's diesbezüglich keinerlei Probleme", erzählt Gölsdorf, "aber Bob Dylan akzeptiert seinen Namenszug nun mal höchstens und ausschließlich auf einem Klebe-Etikett, das wir dann in den Korpus reinpappen dürfen." Was der Unternehmer sicherlich als kontraproduktiv empfinden dürfte, denn eine Custom-Gitarre, die den Namen eines populären Musikers trägt, ist schließlich das Aushängeschild eines Gitarrenbauers, die Werbemaßnahme, um für die Heerschar aus Amateuren und semiprofessionellen Schrammlern Kaufanreize zu schaffen. Die Freaks erkennen das verchromte D am Gitarrenhals sofort. "So gesehen war Raabs Eröffnungsnummer vom European Song Contest ein tolles Product Placement, nicht wahr?", gluckst Gölsdorf. Denn gut vier Minuten hing eine Imperial um den Hals des Entertainers, auf der er die Rockabilly-Version von Lenas Siegertitel "Satellite" auf die Düsseldorfer Showbühne brachte. Vor 120 Millionen Zuschauern.

Glaubt man den Kommentaren berühmter Gitarristen aus der Welt der populären Musik, dann ist die noch relativ junge Firma aus Hannover auf dem besten Weg, mit ihren individuellen Gitarrenmodellen einen Kultstatus zu erlangen, den ihre amerikanischen Mitbewerber schon seit Jahren besitzen. Glenn Frey, einer der Eagles-Gründer, favorisiert seine Duesenberg-Fullerton, seitdem sie auf dem Markt ist. Billy Gibbons (ZZ Top) fällt auch auf hartnäckiges Nachfragen kein Manko zu seiner 52 S ein, und Ron Wood von den Rolling Stones sagt schlicht: "Ich love my Doozy."