Sat.1 legt heute die 90er-Jahre-Erfolgssendung “Die Wochenshow“ neu auf. Andere Sender setzen ebenfalls auf Bewährtes. Wo bleiben neue Ideen?

Hamburg. Es ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Aus besseren Zeiten. Heute Abend läuft bei Sat.1 die Neuauflage der Kultsendung der 90er- Jahre: "Die Wochenshow". Sie macht die Marschrichtung von Sat.1 klar: Es geht zurück, zurück in die Zukunft. Nach dem Motto "Früher war alles besser" setzt der Sender auf bewährte Konzepte der Vergangenheit. Und er ist nicht der einzige.

Zurück zu seinen ursprünglichen Stärken will Sat.1-Geschäftsführer Andreas Bartl seinen Sender führen, "weil er sich damals gut positioniert hatte und erfolgreich war". Formate und Gesichter, die den Sender in seiner erfolgreichsten Phase prägten, kommen nach und nach zurück auf den Bildschirm. Vielleicht hat man in München nach zahlreichen Flops der vergangenen Jahre, abgesetzten Serien, sinkenden Zuschauerzahlen und stagnierenden Marktanteilen den Mut verloren, Neues zu wagen. Vielleicht fehlen die Ideen.

Wenn man sich die aktuellen Wiederbelebungen im Fernsehen anschaut, fühlt man sich tatsächlich um zehn bis zwanzig Jahre zurückversetzt. In die Ära, die Geschäftsführer Fred Kogel bei Sat.1 prägte und in welcher der durchschnittliche Marktanteil des Senders bei über 14 Prozent lag (heute liegt er bei zehn Prozent). Die Ära, in der Größen wie Harald Schmidt und Erfolgsformate wie die Sportsendung "ran" das Profil des Senders schärften - und dem nun mit eben diesen alten Zugpferden neues Leben eingehaucht werden soll.

Die 90er-Jahre waren die kreativste Phase des Privatfernsehens. Kult-Comedyshows wie "RTL Samstag Nacht" oder eben "Die Wochenshow" setzten neue Maßstäbe. Von 1996 bis 2002 war die Sendung um Anchorman Ingolf Lück das Aushängeschild von Sat.1. Spitzenquoten fuhr die Sketch-Show mit Anke Engelke als Ricky auf dem Popsofa oder Bastian Pastewka als "Sex-TV"-Moderator Brisko Schneider ein. "Danke, Anke" - es war die Blütezeit von Sat.1. Mit der 2.0-Version der Kultsendung sollen nicht nur die Zuschauer von damals erreicht werden. Auch will man versuchen, dem Comedy-Boom der 90er nachzuspüren und dieses Genre, in dem es zuletzt wenig zu lachen gab (siehe das Scheitern von Oliver Pocher), bestenfalls wieder aufzupolieren.

In Zeiten, in denen die Zuschauer immer älter werden - bei Sat.1 ist der Durchschnittsseher mittlerweile auf 51 Jahre gealtert -, versucht mancher Sender sich anscheinend dieser Entwicklung anzupassen. Bereits im vergangenen Jahr reaktivierte Sat.1 die 90er-Galionsfigur des Privatfernsehens: Ulla Kock am Brink. Jahrelang war sie mit Formaten wie der "100.000 Mark Show" die Quotenqueen des Konkurrenzsenders RTL. Die Wiederbelebung der klassischen Spielshow bei Sat.1 ging auf: Nicht überragend, aber immerhin solide sind die Quoten.

Dass bewährte Sendergesichter und Formate der Erfolgsjahre jedoch nicht automatisch an ebendiese anknüpfen hat unter anderem Johannes B. Kerner gezeigt, der nach mehr als 13 Jahren beim ZDF zu seiner alten Wirkungsstätte Sat.1 zurückkehrte. Die Quoten seines Talks sind verheerend. Immerhin: Die 2009 reaktivierte Marke "ran", die dem Sender von 1992 bis 2003 Topquoten bescherte, streicheln das Ego des Sat.1-Moderators. Wenn Kerner unter dem Label der Sportsendung aus den 90ern Fußballspiele kommentiert, schalten zum Teil zehnmal so viele Zuschauer ein wie bei seinem Talk. Bleibt nur zu hoffen für den Sender, dass Harald Schmidts Comeback besser ausfällt. Auch er war das Gesicht der 90er bei Sat.1. Ab September wird er bei seinem alten Auftraggeber wieder dienstags und mittwochs seine "Harald Schmidt Show" präsentieren - und unlängst hat er angekündigt, den Geist der alten Show, die von 1995 bis 2003 bei Sat.1 lief, wieder zu beleben.

Was bei Altstars wie Harald Schmidt klappen kann, muss jedoch nicht für die alten Formate gelten. Das zeigt manches aufgewärmte Revival bei der Konkurrenz: Die Neuauflage von Wim Thoelkes "Der große Preis" war 2003 mit Marco Schreyl im ZDF ein Riesenflop. Als der Sender 9Live vor ein paar Jahren eine Neuauflage des Sat.1-Dauerbrenners "Glücksrad" ausstrahlte, wollte sie keiner sehen. Ebenso das Comeback der RTL-Show "Traumhochzeit" mit Linda de Mol, die das ZDF 2008 reanimiert hatte.

Sat.1 lässt sich davon nicht beirren. Und der Norddeutsche Rundfunk greift sogar noch tiefer in die Mottenkiste und legt "Dalli Dalli" neu auf. Voraussichtlich ab Sommer wird der Klassiker, den Hans Rosenthal von 1971 bis 1986 im ZDF moderierte, ausgestrahlt - mit Kai Pflaume als Gastgeber.

Ob "Die Wochenshow" an alte Erfolge anknüpfen kann, bleibt fraglich. Bis auf Ingolf Lück sind die Stars von damals nicht dabei. Stattdessen: Dave Davis, Axel Stein, Carolin Kekebus oder Matze Knop. Besonders bitter für Lück ist jedoch, dass der 90er-Neuaufguss an dem oft totgesagten Sat.1-Comedy-Freitag läuft - in Konkurrenz zu Oliver Welkes erfolgreicher "heute-show" im ZDF. Wenn die "Wochenshow" floppt, sollte Sat.1 sich lieber wieder auf den Weg besinnen, den der Sender vor zwei Jahren einschlug: Da hatte der Münchner Privatsender mit Eigenproduktionen wie "Der letzte Bulle" oder "Danni Lowinski" gezeigt, dass sich Mut und innovative Ideen auszahlen können. Die Serie um Annette Frier heimste sämtliche Fernsehpreise ein und wurde an den amerikanischen Sender The CW verkauft. Kein Blick zurück: Die Flucht nach vorne kann sich lohnen.