Knapp drei Jahre lang betrieb Gunter Sachs eine Galerie in Pöseldorf. Kunst verkaufte er da wenig, die meisten Werke behielt er für sich

Die hanseatische Kunstszene war schon ein wenig aufgeregt an diesem 6. Oktober 1972. Was da unter dem Dach des Hauses an der Milchstraße 28 angekündigt war, schürte nicht unbeträchtlich die Erwartungen der Museengänger. Gunter Sachs, dem der Ruf des Playboys anhaftete, wie die Mutter auf die Schraube passt, hatte zur Eröffnung seiner Galerie geladen - und einen prominenten Gast annonciert: Andy Warhol.

Das Abendblatt schrieb damals zur Eröffnung: "Die Hauptfigur hielt sich abseits. Kaute Kaugummi, blinzelte abwesend durch die helle Hornbrille. Andy Warhol, Vorreiter jeglicher Pop-Szene, schien den Trubel um seine erste Hamburger Vernissage nur durch einen Nebelschleier wahrzunehmen. Verträumt spielte der Künstler und Produzent skandalumwitterter Filme mit seinem Fotoapparat."

200 Gäste drängten sich auf 200 Quadratmetern bei dieser ersten Warhol-Ausstellung in Europa. Einer der Gäste war der Hamburger Galerist Hans Brockstedt. "Es war eine tolle Stimmung bei der Eröffnung, die Ausstellung sah fantastisch aus, aber keiner hat nach Preisen gefragt - und es wurde auch nichts verkauft", erzählt der heute 80-jährige Brockstedt, der seit 1959 seine Galerie in Hamburg betreibt. "Aber Sachs hat die Leute auch nicht wirklich zum Kauf animiert."

Was offenbar ganz der Intention des Kunstsammlers Gunter Sachs entsprach. "Ich pfeife darauf, ob die Leute bei mir kaufen oder nicht. Was ich an diesen Ausstellungen verdiene, reicht bestenfalls für die Reinmachefrau. Worauf es mir ankommt? Den Künstlern, die ich für gut halte, eine Chance zu geben", sagte Sachs ein Jahr nach Eröffnung seiner Pöseldorfer Galerie.

Und was Sachs für gut befand, hatte Format. Er zeigte neben Warhol Arbeiten des Documenta-Künstlers Joseph Kosuth, Cy Twombly und Joseph Beuys, er zeigte Ben Vautier, der sich bei der Documenta 1972 mit Pharmazeutika in Tiefschlaf versetzte und sich auf einem Feldbett dem staunenden Publikum präsentiert hatte. Da mischten sich dann Spektakel und bildende Kunst.

"Gunter Sachs war seiner Zeit einfach voraus", sagt Galerist Thomas Levy, Jahrgang 1947 und wie Brockstedt Gast jener ersten Vernissage bei Sachs. "Er hat immer ausgestellt, nichts verkauft und alles behalten. Auch Daniel Spoerri hat er ausgestellt, nichts verkauft und alles behalten." Dabei seien die Werke dieser damals noch relativ wenig bekannten Künstler gar nicht teuer gewesen. So habe Sachs, erinnert sich Levy, 20 der blauen Tische von Spoerri für nur rund 5000 Mark bekommen. "Heute kostet einer dieser Tische zwischen 30 000 und 40 000 Euro." Bei Andy Warhol seien die Unterschiede in der Preisentwicklung sogar noch wesentlich drastischer.

Nur gut zweieinhalb Jahre betrieb Sachs seine Hamburger "Galerie an der Milchstraße", die von Angelika Platen geleitet wurde und in der einmal im Monat die Ausstellungen wechselten. Im Spätsommer 1975 war dann Schluss. "Ich glaube, er hatte einfach keine Lust mehr nach diesen Jahren", mutmaßt Thomas Levy. Sachs und sein millionenschwerer Kunsttross jedenfalls zogen weiter, fort aus der "Stadt, die ich so liebe", wie er einmal über Hamburg gesagt hat, um seine Sammlung in Lausanne in einer neuen Galerie zu zeigen. Vor allem schätzte er an Hamburg, wie Brockstedt sich erinnert, den "Charme von Pöseldorf als Dorf mitten in der Stadt".

Viele Jahre später, im Sommer 2003, gab es in Hamburg noch einmal eine Ausstellung, die eng verknüpft war mit dem Namen Gunter Sachs. Längst war er da ein international renommierter Fotograf, und so zeigte das Museum für Kunst und Gewerbe eine Retrospektive seines lichtbildnerischen Schaffens mit mehr als 100 Exponaten. Neben Sachs' eigenen Fotografien präsentierte das Museum auch Werke aus der Sammlung Sachs, etwa von Roy Lichtenstein, Yves Klein und Andy Warhol. Die Hängung und Einrichtung der Schau erfolgte genau so, wie sie 30 Jahre zuvor in Sachs' Wohnung im Turm des Palace Hotels im Schweizer Nobelort St. Moritz zu sehen war.

Thomas Levy hat Gunter Sachs zuletzt vor gut einem Jahr in München besucht. Levy, der auch Ausstellungen in Museen kuratiert, wollte einige Werke aus der Sammlung Sachs zeigen. "Ich habe Gunter Sachs ja erst spät wirklich kennengelernt. Das Playboy-Image jedenfalls kenne ich nicht, ich habe einen alten, sehr ruhigen und netten Herrn kennengelernt."