Bei den Kostümen für “La Cenerentola“ haben sich die Kunsthandwerker der Staatsoper selbst übertroffen. Sonntag feiern sie Premiere.

Hamburg. Sie sind die Handwerker der Träume und der Illusion. Meister und Gesellen der Vortäuschung, des schönen Scheins und des richtigen Materials. Sie verwandeln die hochfliegenden Ausstattungsideen kreativer Köpfe in etwas, das man anfassen kann, genauer: das man als Sänger auf der Bühne anziehen, aufsetzen, umschnallen kann, ohne dass einem dabei die Luft wegbleibt oder die Hitze im Kostüm so aufsteigt, dass der Schweiß allzu sehr rinnt.

Die Mitarbeiter in den handwerklichen Abteilungen der Staatsoper haben schöne Spezialberufe. Sie sind Schuster und Rüstmeister, Färber und Kostümschneider, Hutmacher und Maskenbildner. Selten aber kommt ihr Können so prachtvoll zur Geltung wie jetzt bei der jüngsten Produktion des Hauses, die am Sonntag Premiere hat: Gioacchino Rossinis Aschenbrödel-Fantasie "La Cenerentola", inszeniert vom kanadischen Regieteam Barbe/Doucet, ist ein fantastisches Fest der Kostüme. Und deshalb auch ein Fest der Fantasie und des Könnens der Menschen, die in den Werkstätten der Oper arbeiten.

Schon Jahre, bevor der im Bereich Färberei/Malerei der Staatsoper angestellte Kunsthandwerker Klaus Sonnen endlich seinen Traumjob in seiner Traumstadt Hamburg bekam, schwärmte ihm der Gewandmeister der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf vor: "In Hamburg arbeiten nur Koryphäen." Wer sieht, mit wie viel Liebe und Detailversessenheit, Spaß und Konzentration die Leute hier bei der Arbeit sind, und wer vor allem die Ergebnisse ihrer Kunst bestaunen darf, muss dem Düsseldorfer Gewandmeister Recht geben.

Doris Kirchhof, Leiterin der Kostüm- und Maskenabteilung, sagt in echt hanseatischem Understatement, dies seien eben "keine traditionellen Kostüme". Allerdings. Jede der Figuren des Spiels um die fiesen Schwestern Clorinda und Tisbe, die ihre Stiefschwester Angelina schurigeln und verspotten, bis diese am Ende den Prinzen kriegt, den sie selbst gern hätten, bekommt absolute Unikate der Schneiderkunst auf den Leib gewerkelt. Zwei, drei Anproben genügen kaum, den Sängerinnen Maite Beaumont, Gabriele Rossmanith und Renate Spingler ihre fabulösen Roben anzupassen.

"Das ist Versuch und Irrtum", sagt Doris Kirchhof. So geht Rossmaniths tolles, ballonhaft aufgeplustertes Kleid in der zweiten Anprobe beim Sitzen auf und wirft unschöne Falten. Wie soll sie den extra gebauten Walkman befestigen, wo sie keinen Gürtel hat? Hält der Ohrschmuck, der mit seinen beiden Teesieben an Insektenaugen denken lässt, vielleicht am besten mit kleinen Magneten? Wenn ja, wie stark müssen sie sein, wie stark dürfen sie sein?

Von jedem Chorsänger nahmen die Maskenbildner ein Kopfmodell ab, um darauf eine Art Frisurmütze zu kreieren, die aus der Nähe aussieht wie die in Harz erstarrte schwarze Dauerwelle von Mao Tse-tung. Außerdem tragen die Chorsänger fabelhafte Uniformen und Kopfbedeckungen, die an Verspieltheit im Dessin und Erfindungsreichtum bei der Verwirklichung schwer zu übertreffen sind. Vergoldete Teesiebe, metallene Tüllen aus dem Konditorzubehörhandel, zarte Klobürsten und -stopfer, im Dutzend beim Baumarkt erworben, die Einzelteile fein lackiert, bemalt, besprüht und auf eine knallrote Fliegerledermütze genäht: Fertig ist der Choristenhelm.

Das verwegenste Stück hat der Rüstmeister Rainer Baltin zusammengelötet. Auf dem von einer Metallhaube gekrönten Plexiglashelm sitzen wie Wikingerhörner eines heiligen Trinkers zwei leere Rotweinflaschen, aus deren Hälsen zwei transparente Schläuche wachsen. Sie laufen zusammen in einem Babyschnuller. Es soll britische Fußballfans geben, die ähnliche Kreationen im Stadion tragen, mit einem wohlgefüllten Fässchen Bier anstelle der leeren Weinflaschen auf dem Kopf.

Mit einer langen Pinzette platziert Klaus Sonnen auf einem tiefschwarzen Stoff Glassteinchen um Glassteinchen. Sie landen jeder auf einem winzigen Tröpfchen Kleber, den er vorher auf dem Gewand der Hauptfigur Angelina verteilt hat. Die Paillettenkleberei ist ein Geduldsspiel. Als gerade mal die Hälfte der Glitzerkrümel appliziert ist, stecken bereits 24 Arbeitsstunden in seinem Schmuckstück.

Derweil richten Bühnenarbeiter das Wunderwerk von Dekor ein, das André Barbe ebenso entworfen und minutiös vorgezeichnet hat wie die Figurinen für die Kostüme. Man denkt an den großformatigen, kindlichen Futurismus von Hergé aus den "Tim und Struppi"-Comics. Auch hier, beim Bühnenbild, herrschen eine Präzision im Detail und eine Liebe zur Schönheit in Gold und Silber, dass man die Bühnenteile am liebsten immer in Watte gepackt sähe, wenn sie nicht gebraucht werden. Schöner angelegt als bei dieser Produktion ist das viele Steuergeld, mit dem die Hamburger Bürger ihre Oper finanzieren, jedenfalls nur ganz selten.