Eine der schönsten Stimmen unserer Zeit gehört Cecilia Bartoli. Am 9. Mai singt die Mezzosopranistin Händel in Hamburg.

Hamburg. Von manchen Sprechern sagt man, sie bräuchten einem bloß das Telefonbuch vorzulesen, und man hinge gebannt an ihren Lippen. Die große Mezzosopranistin Cecilia Bartoli hat fraglos eine sehr angenehme Sprechstimme, und wer mit ihr telefoniert, dem dringt trotz oder wegen ihres römisch kolorierten Englischs eine gute Portion warmer Italianitá ins Ohr.

Was ein Ferngespräch mit Frau Bartoli allerdings unvergesslich macht, das sind die Schmuckfarben ihres Lachens. Singen soll ja ausgeglichen machen, sogar glücklich, weil die Vibrationen der Knochen und Organe beim Singen im Körper so allerlei lebendig werden lassen. Dass das die reine Wahrheit sein muss, hört man bei Frau Bartoli, die am anderen Ende der Leitung in Zürich sitzt, nach beinahe jedem Satz.

Wer die Töne ihrer vielstimmigen Heiterkeit inventarisieren wollte, hätte ein silbernes Lachen im Sortiment, ein goldiges Kichern, Kaskaden von Swarovski-Kristallen keckernder Heiterkeit und ein Koloraturgelächter, das der Kehlenmusik von Frau Bartoli vielleicht am nächsten kommt.

Wenn diese Sängerin, unschlagbar durch ihr hinreißendes Piano, durch ihren Geschmack, ihre Stilsicherheit in der Repertoireauswahl und noch aus gut drei Dutzend weiteren in ihrem Sängerberuf liegenden Gründen, am kommenden Montag in Hamburg mit einem reinen Händel-Abend gastiert, so macht sie dies in genau der bestrickenden Mischung aus Sinnlichkeit und Überlegung, die ihren Unternehmungen seit je eigen ist. "Mit Vivaldi war ich schon hier, ich hatte das Gefühl, dem Publikum etwas Neues bieten zu wollen", sagt die Bartoli. "Diesmal singe ich die schönsten Arien, die Händel für eine Frauenstimme komponiert hat, und ich empfinde es als besonderes Privileg, dies in einem so schönen Konzertsaal wie der Laeiszhalle tun zu dürfen. Der Raum trägt die Stimme und den Klang der Instrumente ganz wunderbar."

Dieses Lob der guten, alten Musikhalle hört man neuerdings verdächtig häufig. Bei manchen schwingt Furcht mit vor den akustischen Risiken der Elbphilharmonie. Nicht bei Cecilia Bartoli: "Man muss optimistisch sein. Wenn ein Japaner für die Akustik zuständig ist, dann bin ich beruhigt. Und mehr Spielstätten, das heißt mehr Musik, mehr Programme, mehr Künstler. Nur: Wird die Elbphilharmonie denn je fertig?" Silberlachen.

Seit sie 1989 als Gast der Hamburgischen Staatsoper die Rosina in Rossinis "Barbier von Sevilla" sang, eine ihrer ersten Opernrollen, spielt Hamburg für Cecilia Bartoli eine besondere Rolle. Sie schwärmt von den schönen Häusern, von der Alster, und, ganz Italienerin, vom Essen. "Hier habe ich Krabben entdeckt, Krabben und Rote Grütze. Nach Krabben bin ich verrückt."

Dass Opernfans sie an der Dammtorstraße seit Menschengedenken nicht mehr erlebt haben, begründet Cecilia Bartoli mit ihrer Freude an Konzerttourneen und Liederabenden. "Mehr als ein, zwei Opernproduktionen pro Jahr schaffe ich nicht. Mit Proben und Aufführungen sind dann schon vier Monate weg." Deshalb müssen die Verehrer der Sängerin, die sie nicht nur konzertant erleben wollen, reisen - meist nach Zürich, nach Wien oder Salzburg. Dort übernimmt sie 2012 die künstlerische Leitung der Pfingstfestspiele.

Mit "Giulio Cesare" will sie ihren Einstand geben, da sind Händels Arien eine gute Vorbereitung. Neben Andreas Scholl hat sie den Countertenor Phillippe Jaroussky engagiert, als Orchester den Giardino Armonico unter Giovanni Antonini, Regie führt das Duo Patrice Caurier und Moshe Leiser. Mit dem Festspieldirektor Alexander Pereira hat Frau Bartoli verabredet, dass für die Opernproduktionen der Pfingstfestspiele auch im Sommerprogramm Platz geschaffen wird: "Das ist doch sonst Verschwendung, so viel Aufwand für nur zwei Aufführungen zu treiben!"

In ihrer Jugend tobte Cecilia Bartoli als wilder Flamencofeger durch die Straßen Roms - tanzend, nicht singend: "Opernsänger dürfen auf keinen Fall Flamenco singen! Da wird alles mit Bruststimme gesungen, auch sehr hohe Töne. Nein, Opern- und Flamencogesang, das ist wie Tennis und Fußball. Bei beiden Sportarten braucht man die Beine, aber da hören die Gemeinsamkeiten schon auf." Swarovskiglitzerlachen.

Mit ihrer Forscherneugier auf unbekanntes Repertoire verkörperte Cecilia Bartoli im ausgehenden 20. Jahrhundert einen neuen Typ Opernsängerin. Sie entriss Opern Vivaldis dem Vergessen, und es befriedigt sie nicht nur, dass das entsprechende Album, das sie gegen schwerste Bedenken der Plattenfirma durchsetzte, zu einem überwältigenden Erfolg wurde. Mehr noch genießt sie, ganz Künstlerin, die Renaissance der Barockoper überhaupt, die sie mit ihrer Initiative mit angestoßen hat.

Neid auf die nachwachsende Generation hoch talentierter Barockinterpretinnen wie etwa Simone Kermes, die ihr Repertoire mit Bartolis früherem Lebensgefährten Claudio Osele entwickelt? Im Gegenteil: "Das ist doch wunderbar!" Glockenkichern.

Und noch eine politische Frage. Berlusconi? "Bisher dachten wir, er könne nur singen. Jetzt lernen wir: Er ist auch Tänzer. Denn Bunga bunga, das klingt doch wie ein Tanz, oder?" Homerisches Gelächter.

Cecilia Bartoli & Orchestra La Scintilla, Mo 9.5., 19.30, Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Johannes-Brahms-Platz, Tickets zu 30,- bis 175,- in den Abendblatt-Ticketshops