Tom Drury erzählt in seinem Roman “Das Ende des Vandalismus“ lakonisch Geschichten aus der amerikanischen Provinz

Wenig Worte zu machen: Das ist eher eine Sache des Landes, des Menschenschlags, der abseits der Metropolen lebt. Man kennt dort den Wert des Wortes und setzt ihn nicht aufs Spiel durch Geschwätzigkeit. Ein Wort ist ein Wort, es gilt. Aber die Eloquenz der Städter, die die Aufgeregtheit des Zeitalters in einem fort kommentieren und stets an allen Orten gleichzeitig sind, ist in der amerikanischen Literatur nie ein Allgemeinplatz. Die Figuren in den Romanen Richard Yates' oder in den Kurzgeschichten Raymond Carvers leben in New York oder den Suburbs. Auch sie sprechen nicht viel.

Die lakonische Äußerung ist nicht ausschließlich den Provinzlern vorbehalten, sie ist vielmehr ein Merkmal der amerikanischen Literatur. Als hätten die Autoren Bekanntschaft mit jenen Griechen gemacht, auf die die sparsame Redensart dem Mythos nach zurückgeht. Lakonien müsste demgemäß direkt neben Manhattan, gleichzeitig aber auch im Mittleren Westen liegen. Tom Drury stammt aus Ohio und lebt derzeit in Los Angeles. Sein nun auf Deutsch vorliegender Debütroman "Das Ende des Vandalismus" spielt im Grouse County, Iowa - also direkt in der Mitte von Nirgendwo. Die Ortschaften heißen Boris, Wylie, Lunenberg und Pringmar; vor dem ersten Wort des Romans ist eine Karte abgedruckt. Sie zeigt die Verbandsgemeinde, wie man in Deutschland sagen würde, und unterscheidet in dicke und gestrichelte Linien. Die dicken markieren die geteerten Straßen, die gestrichelten die Schotterpisten. Im Zentrum der Handlung steht Grafton, hier leben 321 Einwohner. Für den Erzähler Tom Drury sind sie handverlesen. Im Abspann führt er sein Personal auf, als wäre sein Werk Theater.

"Dan Norman Sheriff des Bezirks " steht da, oder "Louise Darling Assistentin eines Fotografen ", und: "Charles (Tiny) Darling Dieb ". Hier ist der Erzähler Drury autoritär: Die Figuren sind das, was sie tun. Sie wohnen, im Falle des Sheriffs, in einem Wohnwagen. Sie arbeiten bei einem Fotografen, der beinah nicht mehr sieht. Sie müssen ihren Lebensmittelladen schließen, weil die Leute nicht mehr einkaufen. Sie lassen die taiwanische Gastschülerin auf der Farm ackern. Die gesellschaftlichen Ereignisse in Grafton sind: die alljährliche Blutspendeaktion im Geräteschuppen der Feuerwehr des Dorfs, das Theaterstück der Abschlussklasse, der Tanzabend in der Turnhalle, in der es um "Das Ende des Vandalismus" geht, eine Benefizveranstaltung. In Grouse County ist es oft kalt, und die Leute hauen sich gerne, nicht nur im "Kalkeimer", der örtlichen Kneipe.

Der Sheriff Dan muss den Hallodri und Tunichtgut Tiny nach einer dieser Kneipenschlägereien in die Ausnüchterungszelle stecken. Im Anschluss entwickelt sich eine Liebesgeschichte zwischen Dan und Louise, die sich freilich vorher von Tiny scheiden lässt. In Grafton hat alles seine Ordnung. Der Gelegenheitsdieb Tiny macht sich danach vom Acker. Was im Falle des Grouse Countys durchaus wörtlich gemeint ist. Die Menschen dort leben von der Agrarwirtschaft. Tiny geht ein paar Monate auf Wanderschaft und schlägt sich so durch, er rollt in seinem Pontiac Parisienne nach Colorado. Unterwegs bleibt der Wagen stehen, die Lichtmaschine ist kaputt. "Tiny baute die Maschine aus und machte sich auf den Weg. Wenn ein Auto vorbeifuhr, was nicht oft geschah, drehte er sich um und streckte die Hand mit erhobenem Daumen aus. Er trug die Batterie unter dem Arm, und das erinnerte ihn an die schönen Zeiten, als er mit seiner Brotzeitdose in die Schule gegangen war oder den anderen Kindern ihre Brotzeitdose abgejagt hatte. Er sah die Kühe an, und die sahen ihn an."

Drury verschwendet seine Erzählkraft nicht an psychologisierende Reflexionen. Genau so, als imitiere er damit das Wesen der Dörfler. Seine Ironie wird von einer Sanftmut getragen und ist nie gemein, sie gipfelt in der Charakterisierung der Figur Louise, die von allen Personen das schwierigste Schicksal zu meistern hat und nach einem schweren Schlag bei Tante und Onkel unterkommt. "Und Louise, die nun einmal so war, wie sie war, tat, was sie konnte, um den beiden zur Hand zu gehen."

Sie ist, wie sie ist, und das Leben in Grouse County ist, wie es ist: Es geht unverändert durch die Jahreszeiten. Die Figuren haben einen beinah schmerzenden Wirklichkeitssinn, kaum je, dass eine von irgendetwas träumte - und sei es von einem Studium an der Westküste. Das Leben ist kein besonderes, aber wert, Gegenstand eines liebevollen Berichts zu sein, wie ihn Drury erstattet. Das Buch muss den Vergleich mit Sherwood Andersons "Winesburg, Ohio" nicht scheuen. Die Langsamkeit der Provinz, in der jeder jeden kennt, die Skurrilität in den Beziehungen zwischen den Menschen: Das hat Drury meisterlich eingefangen. Dass sein Roman keine spannende Geschichte erzählt, macht ihn aus. Weshalb der Klappentext, der von "kriminellen Intrigen" spricht, mit etwas prahlt, was Drury niemals einhalten wollte.