Ob Beziehungen, Emanzipation, Politik, Ossis oder Wessis, Ingo Appelt zielt mit großer Lust tief unter die Gürtellinie - sein Motto: Immer feste druff!

Schmidts Tivoli. Das einzig wirklich Gute an Ingo Appelt ist seine SPD-Mitgliedschaft. Es könnte aber genauso gut die der CDU sein. Nicht nur wegen gegenwärtiger Nivellierungstendenzen, sondern im Hinblick auf einen Grundbefund: Der Mann glaubt an das Engagement, die Demokratie, den Weltfrieden und so weiter und so fort; er kann also kein schlechter Mensch sein. So jedenfalls geriert sich Appelt - der von den Medien früh als "Spaßterrorist" und "Kotzbrocken der Nation" bezeichnete Stand-up-Comedien - auf jeder Bühne, deren Betreten man ihm nicht verbietet.

Der 1967 in Essen geborene Komiker beherrscht die hohe Kunst der tiefen Schläge nicht nur auf der Bühne. Appelt hat sich auch selbst mit Hingabe gerne ins Abseits geschossen. Seine "Ingo Appelt Show" auf ProSieben, zehn Jahre ist das nun schon her, wurde einst nicht wegen wahnsinnig mieser Quoten abgesetzt, sondern wegen Appelts geschmackloser Witzchen.

Wenn man sich den gerne im Genitalbereich angesiedelten Zoten des röhrenden Schwätzers nicht entziehen kann, hört man halt gequält hin. Und schämt sich nach Kräften, weil man halt doch lacht, wenn dieser miese, fiese Zyniker da vorne über Intimrasuren räsoniert, übers Rauchen doziert oder diesen und jenen derbe beleidigt.

Man sollte Appelt zehnmal den Kailash, den heiligsten Berg der Tibeter umrunden lassen, ohne Essen, ohne Kleidung. Danach wäre er leer und alles Negative aus ihm verschwunden. Appelt spricht all das aus, was andere nicht mal denken. Vor zehn, 15 Jahren hatte man das als große, befreiende Tat beklatscht: das Aushebeln der Political Correctness. Der Bildungsbürger Harald Schmidt sorgte damals für Momente der Befreiung aus dem gesellschaftlichen Kommunikationskorsett.

Ingo Appelt, der alles, aber nicht blöd ist, war einer von den Dampflaberern, die sich in plumpem Überbietungsgestus daran machten, die sogenannten niederen Instinkte und vom zivilisatorischen Über-Ich eingezwängten Denkimpulse grob zu animieren. Appelt war und ist darin der Beste, und nie wird er so fad werden wie Mario Barth, den für manche unfassbar langweiligsten Entertainer des Universums. Witziger als Barth ist Appelt selbst dann noch, wenn die (scheinbar) unmoralischen Ansichten schon längst nicht mehr provozierende, an Tabus rührende Aufreger sind.

Wahrscheinlich ist an Appelt auch ein feinsinniger, subtiler Kommentator deutscher Verhältnisse verloren gegangen, denn er ist ein Beobachter mit Auffassungsgabe. Aber das Subtile sollte es bei Appelt eben nicht sein, es knallt halt so schön beim Schenkelklopfen.

Das aktuelle Programm des ehemaligen Gewerkschafters und strammen Sozialdemokraten Appelt, dessen Johannes-Rau-Parodie nicht unlustig war, heißt "Männer muss man schlagen!". Das Ausrufezeichen sagt einiges über den Wirklichkeitszugriff des Brachialrhetorikers aus: Immer druff, druff, druff. Appelt ist ein Runtersteiger auf das niedrigste Niveau, Zwischenräume umgeht er, nun ja, virtuos. Das ist auch eine performerische Vollkommenheit. Und dass Appelt jetzt die Männer auf die Tagesordnung setzt? Muss wohl so sein, wenn einem nix mehr einfällt. Seit zwei Jahren ist der Unbeugsame (Selbstaussage: "Meine Boshaftigkeit habe ich meiner nicht gerade glücklichen Kindheit zu verdanken") mit seinem Männer-Programm unterwegs.

"Kommunikative Minderleister" nennt Appelt wahrscheinlich durchaus zutreffend maulfaule Kerle. Für ihn trifft das ganz und gar nicht zu.

Besonders hingebungsvoll und stellenweise brillant ist das böse Kind der Unterhaltungsindustrie, das sich kaum je verhaspelt, wenn es die Großen und Kleinen unserer Republik parodiert. Appelt ist Kohl, Appelt ist Schröder, Appelt ist Merkel. Appelt ist Grönemeyer, Appelt ist Westernhagen. Appelt ist so fies und so gemein wie jeder von uns.

Ingo Appelt "Männer muss man schlagen!" Mo 17.5., 20.00, Schmidts Tivoli (U St. Pauli), Spielbudenplatz 27/28. Karten ab 16,50; www.ingo-appelt.de