Die Kunst hinter der Kunst: Private Konzertveranstalter in und um Hamburg bereichern das Musikleben. Auch “Kammermusik heute“ engagiert sich.

Hamburg. Wer nachts im Jenischpark spazieren geht, der kann manchmal gegen 23 Uhr vor dem Jenisch-Haus einen Lieferwagen stehen sehen. Das geht durchaus mit rechten Dingen zu: Wenn das Konzert im Weißen Saal längst vorbei und das Publikum gegangen ist, wenn die Musiker den Frack wieder gegen die Jeans getauscht haben und samt Instrument und Rollenkoffer auf dem Weg in eine nahe gelegene Kneipe sind, transportieren ein paar Herren mittleren Alters die Podeste ab, damit am nächsten Morgen der Museumsbetrieb weiterlaufen kann.

Freilich sind nicht alle diese Herren im Hauptberuf Hausmeister oder Möbelpacker. Sie sind Geigenbauer oder Heilpraktiker oder selbst Musiker, die Podeste schleppen sie als Hobby. Oder besser, als Ehrenamt: Sie sind Mitglieder von "Kammermusik heute". Der Verein gehört zu den vielen nicht kommerziellen Konzertveranstaltern in und um Hamburg, ohne die das Hamburger Konzertleben erheblich ärmer wäre.

Die Profile sind so vielfältig wie die Spielorte: Feinste Streicherkammermusik gibt es bei den "Kammerkonzerten im Mozartsaal" des charmant angestaubten Logenhauses und bei der ehrwürdigen "Hamburgischen Vereinigung von Freunden der Kammermusik" im Kleinen Saal der Laeiszhalle. L'art pour l'art, ein Ensemble für ganz aktuelle Musik, bringt für seine Reihe "ZuHören in Winsen" vor den Konzerten Manager, Wissenschaftler und Musiker ins Gespräch über Hörerfahrungen und Alltagsklänge und wie daraus Musik werden kann. "Feldtmann Kulturell", das die Unternehmerin Brigitte Feldtmann ins Leben gerufen hat, residiert in einer edel restaurierten Gründerzeitvilla an der Tesdorpfstraße und veranstaltet dort unter anderem die Gesprächskonzerte "Sichtweisen - Hörwelten - Neue Musik im Dialog". Und der in Pinneberg ansässige Verein für Alte Musik stemmt gar ein mehrtägiges "Barockfest" in der Landdrostei.

Ob sie Weltstars holen wie das Alban Berg Quartett und die Cellistin Sol Gabetta oder Künstler aus der Region, das Niveau ist immer hoch. "Es darf keinen Knick geben", sagt Stefan Schäfer, Vorsitzender von "Kammermusik heute" und im Hauptberuf Solokontrabassist bei den Philharmonikern Hamburg. "Sonst verlieren die Leute das Vertrauen."

Künstler und Programm aber muss man erst mal haben. Wo ein Verein ist, sind Vereinssitzungen nicht weit, da kann die Entscheidungsfindung dauern. Die "Kammermusikfreunde" tagen schon mal bis tief nachts. "Wir reden, bis weißer Rauch aufsteigt", sagt der Vorsitzende Klaus Brügmann und lacht. Und dann ist ja noch niemand engagiert, kein Saal festgemacht.

Gar nicht zu reden von der ganzen Arbeit hinter den Kulissen. Die bewältigen viele nicht kommerzielle Veranstalter gleichsam mit bloßen Händen. Kaum ein Konzertbesucher ahnt, was es bedeutet, in der Freizeit Programmhefttexte zu schreiben, Plakate vom Drucker und die Künstler vom Hotel abzuholen, mit klammen Fingern an der Abendkasse zu stehen, den Pausenwein rechtzeitig temperiert zu haben und in erbarmungsloser Regelmäßigkeit in den Papierkrieg mit der Künstlersozialkasse einzusteigen.

Bei den Konzerten im Bucerius-Kunst-Forum, für deren Programme der Leiter Andreas Hoffmann raffinierte Bezüge zu den Ausstellungsthemen herstellt, läuft das in eleganter Professionalität - dahinter steckt die geballte Organisationskraft der "Zeit"-Stiftung. Und die geballte Finanzkraft.

Wer allerdings nicht unter solch paradiesischen Bedingungen arbeitet - und das sind, man ahnt es schon, die allermeisten - kann sich freuen, wenn er durch die Saison kommt, ohne sein Budget zu überziehen.

Die "Kammermusikfreunde" in der Laeiszhalle finanzieren sich hauptsächlich aus Kartenverkäufen; Kassenmagnete wie der Pianist Menachem Pressler stützen Entlegeneres. Aber der Publikumszuspruch lässt sich immer schwerer kalkulieren, schon weil das gute alte Abonnement aus der Mode gerät. Für "Kammermusik heute" wiederum spielt der Kartenverkauf von vornherein keine große Rolle - der Weiße Saal im Jenisch-Haus ist eben nicht nur fein, sondern auch sehr klein. Ohne Spenden und Sponsorengelder geht es nicht, und die sprudeln nicht gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise.

Selbst auf die öffentliche Hand ist kein Verlass: So hat im Finanzausschuss der Stadt Winsen mal eben die CDU-Fraktion angeregt, die Förderung für "ZuHören in Winsen" zu streichen, obwohl die Reihe sich nicht nur in Fachkreisen, sondern sogar im Städtchen selbst hohes Ansehen erworben hat. Erst auf öffentliche Proteste hin winkten die Stadtväter das fragliche Sümmchen von 7500 Euro stillschweigend mit dem übrigen Haushalt durch. "Ohne das Geld müssten wir die Hälfte der Konzerte streichen", sagt Matthias Kaul vom Ensemble L'art pour l'art.

"ZuHören in Winsen" hat Glück gehabt - bis zur nächsten Haushaltsrunde. Trotz dieser Unwägbarkeiten macht Kaul weiter: "Nur hier können wir unsere Sachen machen, ohne dass uns ein Veranstalter dazwischenquatscht."

Idealist muss man wohl sein. "Die Begeisterung für die Musik ist immer geblieben", sagt Klaus Brügmann von den "Kammermusikfreunden", der selbst Streichquartett spielt. "Wenn dann der Moment des Auftritts da ist, wenn ich auf den Gesichtern der Künstler sehe, wie sie auf die Atmosphäre reagieren, wie die Anspannung sich nach den ersten Tönen löst, dann ist das jedes Mal ein großes Glück."

Die nächsten Konzerte:

Kammermusikfreunde "Explica 8 - Kuss Quartett" 7.5., 20.00, Laeiszhalle, Kleiner Saal

ZuHören in Winsen "Secret Gardens" 7.5., 19.00 Gespräch, 20.30 Konzert, Altes Forsthaus Habichtshorst, Winsen/Luhe

Kammermusik heute "Spanische Nacht" 11.6., 19.30, und 12.6., 19.00, Jenisch-Haus