Désirée Nick ist die zweite Künstlerin innerhalb weniger Monate, die mit einem Stück über eine exzentrische US-Sängerin in Hamburg gastiert.

Hamburg. Wie man ohne Talent berühmt werden kann, zeigen uns seit Jahren Heideköniginnen, Ex-Frauen von Dieter Bohlen oder Teilnehmer an Superstar-Castingshows. Wer Florence Foster Jenkins war, weiß sicher keiner dieser Nichtskönner. Die reiche amerikanische Erbin, die 1944 starb, kurz nachdem sie ein umjubeltes Konzert in der New Yorker Carnegie Hall gegeben hatte, war die Erste, die zielsicher alle Töne der großen Opernarien verpasste, die sie mit Hingabe sang. Die Zuschauer schrien und johlten. Foster Jenkins hielt es für Begeisterung. Am Ende war sie ein Weltstar, über den noch heute Theaterstücke geschrieben werden.

Désirée Nick ist die zweite Künstlerin innerhalb weniger Monate, die mit einem Stück über die exzentrische US-Sängerin in Hamburg gastiert. Nachdem Johanna von Koczian zu Jahresbeginn als Foster Jenkins mit "Glorious" in der Winterhuder Komödie das Publikum hinriss, begeistert nun Nick, die ja das Schrille, Mondäne, Divenhafte als Typ gleich mitbringt, im St.-Pauli-Theater mit "Souvenir".

Kein Zweifel, Désirée Nick kann singen. Und zwar nicht nur falsch. Wie sie so irrlichtert durch die großen Partien der Opernliteratur, durch Verdi, Gunod oder Mozart, zeigt nicht nur, wie sehr sie das Repertoire beherrscht. Es zeigt auch einen eigenwilligen Gestaltungsrahmen, der Tempi, Einsätze und Töne zu wahllos, willkürlich und wirr gesetzten Wegweisern degradiert.

"Meinen Sie nicht, man kann Genauigkeit auch übertreiben?", fragt sie ihren Pianisten Cosme McMoon (Christoph Schobesberger), als er vergebens und nicht zum letzten Mal versucht, sie auf die Noten hinzuweisen. Nein, die größenwahnsinnige Künstlerin, die sich seit ihren Kindheitstagen für ein Gottesgeschenk hält, klirrt, quietscht und quäkt sich munter weiter durch die Arien. Die Zuschauer sind begeistert und geben spontan Szenenapplaus.

Natürlich macht Nick aus der mal schnippischen, mal beseelten und immer leidenschaftlichen Traumtänzerin irgendwie auch eine kleine Travestienummer. Wie sie die rauschenden Kostüme wechselt! Und wenn ihr Armreif ins Publikum fliegt, beglückt sie den Zuschauer, der ihn ihr zurück auf die Bühne reicht, mit: "Gott sei Dank keine Schwuchtel, die meinen Strass klaut."

Lustvoll demoliert sie Töne und lächelt anschließend huldvoll. Der Pianist sitzt vor seinem Instrument, während sie sich in aufgedonnerten Kostümen vor verspiegelten Wänden ihrer schönsten Fantasie hingibt, der Musik. Da paaren sich Sadismus und Klein-Mädchen-Unschuld. Wer könnte dieser Meuchelmörderin der Musik böse sein? Niemand. Das Publikum hat's geliebt.