Im Interview mit Ines van Rahden spricht die Berliner Entertainerin über die Broadway-Hommage “Souvenir“, in der sie eine selbsternannte Operndiva spielt.

Hamburger Abendblatt:

Frau Nick, kennen Sie Stade?

Désirée Nick:

Aber sicher. Das ist eine kleine hübsche Stadt in Norddeutschland, die ich bald besuchen werde.

Abendblatt:

Genau genommen am 8. November: Dann präsentiert das "Stadeum" die Broadway-Hommage "Souvenir" von Stephen Temperley und Sie schlüpfen in die Rolle der selbsternannten Operndiva Florence Foster Jenkins. Was erwartet ihr Publikum an diesem Abend?

Nick:

Sie lernen Désirée Nick in all ihren Nuancen kennen, die bislang in der Öffentlichkeit nicht so präsent waren. Sie schauen mir praktisch bei meinem eigentlichen Beruf über die Schulter.

Abendblatt:

Warum haben Sie sich dafür die extravagante Tochter eines schwerreichen Bankiers ausgesucht, die sich zum Vergnügen ihres Publikums durch die klassische Arienliteratur quietscht und quält?

Nick:

Ich habe ihre Platte als 16-Jährige gehört und geliebt. Florence Foster Jenkins war eine Kultur-Ikone. Sie hat mit ihrer überdrehten Art das spießige Kunstverständnis der 40er-Jahre durchbrochen. Ohne sie hätte es die moderne Kunst sicherlich nicht gegeben. Andy Warhol, Joseph Beuys und Jeff Koons wären gar nicht möglich gewesen. In New York wurde Florence zum absoluten Gesellschaftsereignis, auch, weil sie aus einer einflussreichen Familie stammte. Zu ihren Auftritten ging man einfach hin. Da schwingt also auch ein bisschen Sozialkritik mit. Ihr Erfolgsgeheimnis war ihr Charisma. Selbst Leute wie der große Opernsänger Enrico Caruso haben ihr damals zu Füßen gelegen. Und ich habe nun mal ein Faible für skurrile Charaktere. Im Grunde hat ihr schon immer mein Herz gehört.

Abendblatt :

Tänzerin, Comedian, Schauspielerin, Buchautorin - in welcher Rolle fühlen Sie sich eigentlich am besten aufgehoben?

Nick:

Eine Rolle befruchtet die andere. Es gibt für mich also nicht die klassische Lieblingsrolle. Wenn ich auf der Bühne stehe, kommuniziere ich sehr stark mit meinem Publikum. Dabei fällt meist für jede Rolle etwas ab.

Abendblatt:

Provokation gehört zu Ihrem Geschäft. Bei welchen Themen ziehen Sie einen Strich? Wo fängt die Schmerzgrenze an?

Nick:

Gegenfrage: Was hätte Deutschland zu einem Borat gesagt? In einem Land, in dem Klagen gegen Humor eingehen können, wäre so eine Kunstfigur schlichtweg unmöglich. Dabei soll Komik doch unseren Horizont erweitern. Sinnigerweise regen sich immer nur die auf, bei denen der eigene Horizont eben nicht für scharfsinnigen Humor reicht. Im Grunde sind Borat und ich Geschwister im Geiste. Es gibt für mich keine humoristische Schmerzgrenze - sie muss nur gekonnt verkauft werden.

Abendblatt:

Sie haben sich vor ein paar Jahren sehr über die Äußerungen von Eva Herman zur Familienpolitik geärgert, sogar ein Buch darüber geschrieben. Gibt es etwas, das sie momentan aufregt?

Nick:

Na ja, es gibt doch immer was, über das man sich ärgert. Wer als empfindsamer Mensch heutzutage die Zeitung aufschlägt, kann sich eigentlich nur krank ins Bett legen. Momentan ist die Diskussion ums Kindergeld ein schönes Unterhaltungsprogramm mit Bundeskanzlerin Angela Merkel als Regisseurin. Entscheidend ist immer die richtige Dramaturgie. Was mich persönlich betrifft: Kinder ins Showbiz zu ziehen, ist für mich ein absolutes No-Go. Da könnte man mir Millionen für zahlen und ich würde immer noch Nein sagen.

Abendblatt:

Sie sind im geteilten Berlin aufgewachsen. Der Mauerfall ist jetzt 20 Jahre her. Haben Sie das Gefühl, dass die Wiedervereinigung abgeschlossen ist?

Nick:

Eigentlich schon. Kinder, die nach dem Mauerfall geboren wurde, sind ja bereits erwachsene Menschen. Es gibt in Berlin Volljährige en masse, denen man das Ding mit der gesamtdeutschen Kanzlerin erst mal erklären muss. Wer heutzutage gegen Ossis ist, ist meist auch gegen Ausländer. Im Übrigen empfinde ich die Rechtsradikalen lange nicht so gefährlich, wie die Mafia von rechts außen, die in Büros sitzt und einen auf liberal macht.

Abendblatt:

Die Besucher Ihrer Homepage werden freundlich begrüßt. Wer dort landet, so schreiben Sie, gehört zu einer großen Gemeinde intelligenter, sensibler und kulturell gebildeter Menschen. Sind das die Attribute, die ein echter Désirée-Nick-Fan mitbringen muss, um Ihren Witz zu verstehen?

Nick:

Meine Fans gibt es quer durch alle Schichten der Gesellschaft. Im Publikum sitzen Punks neben Professoren, Jugendliche neben Senioren - und alle lachen über denselben Witz. Bei mir ist richtig aufgehoben, wer sich nicht scheut, das Kontroverse zu umarmen. Was das betrifft, ist die Rolle der Florence Foster Jenkins übrigens die Rolle meines Lebens.

Abendblatt:

Auf Ihrer Homepage steht auch: "Ich habe 25 Jahre Showbusiness überlebt." Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Nick:

Talent, Talent, Talent sowie Bauch rein, Kinn hoch und Brustwarzen immer tapfer gegen den Wind!

Abendblatt:

Wie sieht ein ganz normaler Désirée-Nick-Tag aus?

Nick:

Schön! Meine schönsten Tage sind die, an denen ich einfach nur Hausfrau sein darf. Das ist für mich ein absolutes Highlight, weil ich mich dann um meine Freundschaften kümmern kann. Das ist leider das Dramatische am Showbiz: Eine Karriere frisst alles Zwischenmenschliche auf. Ich wünsche mir, dass ich für meine Freunde in der zweiten Lebenshälfte mehr Zeit finde.

Abendblatt:

Müssen wir uns jetzt Sorgen machen, dass Sie bald ein wenig kürzer treten wollen?

Nick:

Es ist ja nicht immer alles eine Frage des Wollens, nicht wahr? Nein, im Ernst: Anfang April muss ich ein neues Buch abgeben, und das will ja auch erst einmal geschrieben werden. Und im Februar stehe ich drei Wochen lang in Wien im Theater in der Josefstadt als Florence Foster Jenkins auf der Bühne. Das ist unter Kunstschaffenden so etwas wie der Ritterschlag. Wenn ich nicht schon berühmt wäre, würde ich es dann werden.

Für die Vorstellung "Souvenir" am Sonntag, 8. November, von 19.45 Uhr an, verlosen wir heute dreimal zwei Karten. Wer gewinnen möchte, schickt bis Donnerstag, 6. November, 12 Uhr eine E-Mail (Betreff: Désirée Nick) an die Adresse mitmachen@abendblatt.de und nennt darin seinen Namen, seine Anschrift und seine Telefonnummer. Die Gewinner werden anschließend benachrichtigt. Reguläre Eintrittskarten gibt es unter der Tickettelefonnummer 04141/40 91 40) oder direkt beim "Stadeum" (Schiffertorsstraße 6). www.stadeum.de